Massaker am Lago Maggiore
15 September 1943 – 11 Oktober 1943
Autor: Anna Blum, Jonathan Roters und Thananjayan Sivakumar
Zwischen dem 22. und 24. September 1943 ermordeten Einheiten der Leibstandarte-SS Adolf Hitler (LSSAH) am Lago Maggiore ansässige jüdische Familien und Geflüchtete in Meina, Baveno, Stresa und umliegenden Orten. Die Morde wurden von Offizieren wie Friedrich Bremer, Hans Röhwer, Herbert Schnelle und Gottfried Meir angeordnet und von ihren Einheiten durchgeführt. Jüdische Männer, Frauen und Kinder wurden in Hotels und anderen Gebäuden interniert, anschließend erschossen und ihre Leichen im See versenkt. Nach 1945 kam es in Italien, Österreich und Deutschland zu mehreren Gerichtsverfahren, doch viele Täter entgingen aufgrund von Verjährung oder mangelnder Beweise einer Bestrafung.
- Verantwortliche Einheit
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I Bataillon Panzergrenadier-Regiment 2 “Leibstandarte - SS Adolf Hitler”
- Täter
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Hans Röhwer, Gottfried Meir, Herbert Schnelle, Hans Krüger, Friedrich Bremer
- Untersuchungen und Prozesse
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Ermittlungen in Österreich (1947–1954)
Ermittlungen und Prozess in Italien (1948–1957)
Ermittlungen in Ludwigsburg und Osnabrück (1959–1967)
Hauptverhandlung in Osnabrück (1968)
Revisionsverfahren (1970) - Weitere Tatorte
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Arona, Baveno, Intra, Meina, Mergozzo, Orta San Giulio, Pian Nava und Stresa
- Streitkräfte
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SS
Das Massaker
Bis in die 1930er-Jahre galt die jüdische Gemeinde Italiens als eine der am stärksten assimilierten Europas.
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Die Lage der jüdischen Bevölkerung in Italien bis 1943
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Der Einsatz der Leibstandarte in Oberitalien
Zwischen dem 22. und 24. September 1943 führten Einheiten der Leibstandarte am Lago Maggiore die Morde nach einem klar abgestimmten Muster durch: Die Gefangenen wurden in kleinen Gruppen an abgelegene Orte gebracht, dort erschossen und ihre Leichen im See versenkt.
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Ablauf und Tatorte der Massaker
Die SS am Lago Maggiore
Die folgenden Fotografien gehören zu den wenigen erhaltenen Bilddokumenten über den Einsatz der SS-Truppen am Lago Maggiore im Herbst 1943. Sie stammen von dem SS-Kriegsberichter Ferdinand Rottensteiner, der die Division „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ über längere Zeit begleitete und mehrere Hundert Aufnahmen in Norditalien anfertigte.
Die hier gezeigten Bilder entstanden überwiegend in Stresa, wo die 3. Kompanie des I. Bataillons unter dem Kommando von SS-Hauptsturmführer Hans Krüger stationiert war. Sie zeigen unter anderem einen Posten vor der Villa Ducale, die als Ortskommandantur diente, sowie verschiedene Szenen an der Uferstraße.
Am Abend des 22. September 1943 wurden der jüdische Rechtsanwalt Tullio Massarani, seine Schwester Olga, Giuseppe Ottolenghi und seine Tochter Lina zur Villa gebracht und dort zunächst festgehalten. Anschließend übergaben SS-Männer die vier an ein Exekutionskommando, das sie ermordete und ihre Leichen im See versenkte.
Juristische Aufarbeitung der Massaker in der Nachkriegszeit
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SS-interne Untersuchung 1943
Während die italienische Justiz die Verbrechen klar benannte und streng sanktionierte, verhinderten prozessuale Hürden und politische Rücksichtnahmen in Österreich eine tatsächliche Strafverfolgung.
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Die Verfahren gegen Gottfried Meir in Österreich und Italien
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Ermittlungen in Ludwigsburg und der Prozess in Osnabrück
Erinnerung
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Erinnerungskultur in Italien und Deutschland
Quellen
Die Überlieferung zum Massaker am Lago Maggiore im September 1943 ist insgesamt lückenhaft, doch einige zentrale Bestände sind erhalten. Im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg liegen die Unterlagen der 1. SS-Panzer-Division „Leibstandarte-SS Adolf Hitler“ (Bestand RS 3-1), die nur fragmentarisch überliefert sind. Dagegen ist der Bestand des II. SS-Panzerkorps (RS 2-2), dem die Division während ihres Italien-Einsatzes unterstellt war, vergleichsweise vollständig und erlaubt einen genaueren Einblick in die operative Ebene. Von besonderer Bedeutung für die Aufarbeitung sind die Ermittlungs- und Gerichtsakten der Nachkriegszeit. In der Außenstelle Ludwigsburg des Bundesarchivs (Bestand B 162) finden sich die Unterlagen der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zu den Kriegsverbrechen der Division, darunter zu den Massakern am Lago Maggiore, in Boves und in Istrien. Einen weiteren zentralen Bestand bilden die Prozessakten des Landgerichts Osnabrück zum Verfahren von 1968 gegen ehemalige Angehörige der Leibstandarte, die heute im Niedersächsischen Landesarchiv, Standort Osnabrück (Bestand NLA OS Rep 945), verwahrt werden. Auch die Verfahren in Italien – insbesondere vor dem Militärgericht Turin – sowie in Österreich vor dem Volksgericht Graz sind quellenmäßig von Belang, da sie die Morde an der Familie Ovazza und weiteren Opfern dokumentieren. Ergänzend sind zeitgenössische SS-interne Untersuchungen nur indirekt durch spätere Prozessakten überliefert, da die Originaldokumente vermutlich am Kriegsende vernichtet wurden. Für die Nachgeschichte und die Erinnerungspolitik ehemaliger SS-Angehöriger ist zudem der Bestand B 438 des Bundesarchivs relevant, der die Unterlagen der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS“ (HIAG) und deren Publikationstätigkeit im Munin-Verlag umfasst.
Bibliografie
Lutz Klinkhammer, Stragi naziste in Italia. La guerra contro i civili (1943-1944), 2. Auflage, Roma, Donzelli, 2006, S. 55-79.
Marco Nozza, Hotel Meina, la prima strage di ebrei in Italia, Milano, Mondadori, 1993.
Jens Westemeier, Himmlers Krieger. Joachim Peiper und die Waffen-SS in Krieg und Nachkriegszeit, Paderborn, Ferdinand Schöningh, 2013.