Herbert Kappler geriet am 9. Mai 1945 bei Bozen in alliierte Gewahrsam. © Wikicommons [Urheber unbekannt, vermutlich aus einer Gefangenenakte im TNA London]

Herbert Kappler

Autor: Carlo Gentile

* 23 September 1907 – Stuttgart
†  9 Februar 1978 – Soltau

Herbert Kappler war SS- und Gestapochef in Rom während der deutschen Besatzung Italiens. Er leitete das Außenkommando der Sicherheitspolizei und des SD und war maßgeblich an der Deportation der römischen Juden am 16. Oktober 1943 sowie am Massaker in den Fosse Ardeatine (24. März 1944) beteiligt. 

Nach Kriegsende wurde er 1948 in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 15. August 1977 floh er mit Hilfe seiner Ehefrau aus einem römischen Militärkrankenhaus nach Deutschland, was eine diplomatische Krise auslöste. Kappler starb 1978 in Freiheit.

Nationalität
deutsch
Formation
Gestapo, SD
Eintritt in die NSDAP
1.8.1931 594899 (SS-Nr. 55211 ab 1.12.1932)
Streitkraft
SD
SS
Einheit
Außenkommando der Sicherheitspolizei und des SD
Dienstjahre
1932-1945
Dienstgrad
SS-Obersturmbannführer
Feldzüge und Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg
Italien 1939-1945
Bestätigte Massaker

Fosse Ardeatine
La Storta
 

Nachkriegszeit

1948 Prozess in Rom, Haft im Militärgefängnis Gaeta
Flucht aus Italien im August 1977

Ausbildung und Kriegserfahrung

Als Polizeiattaché an der deutschen Botschaft in Rom koordinierte Herbert Kappler die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Italien und überwachte Regimegegner sowie als deutschfeindlich eingestufte Personen.
  • Bei einem Essen im Herbst 1943 sitzen der Oberbefehlshaber Südwest, Albert Kesselring, der faschistische Innenminister der RSI, Guido Buffarini Guidi, und SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler nebeneinander am Tisch. Am oberen rechten Ärmel seiner Uniformjacke trägt Kappler die sogenannten Ehrenwinkel, die für Altmitglieder der NSDAP reserviert waren. Er trat der NSDAP am 1. August 1931 bei © BArch, Bild 101I/305/0677/20 Foto Engel
  • Albert Kesselring gibt Guido Buffarini Guidi Feuer. Rechts sitzt Herbert Kappler © BArch, Bild 101I/305/0677/21 Foto Engel

Als Führer des Außenkommandos Rom 1943-1944

Kappler forderte von der jüdischen Gemeinde Roms 50 Kilogramm Gold – andernfalls drohte er mit der Deportation von 200 Geiseln.
Herbert Kappler bei seiner Gefangennahme im Frühjahr 1945. Am 9. Mai 1945 geriet er in Bozen in alliierte Gewahrsam und wurde anschließend in eine Vernehmungseinrichtung der Geheimdienste in Cinecittà bei Rom (Combined Services Detailed Interrogation Centre) verlegt, wo seine Gespräche heimlich abgehört wurden © Foto: Wikicommons [Urheber unbekannt, vermutlich stammt das Foto ursprünglich aus einer Gefangenenakte im TNA London]
Kapplers Äußerungen belegen eindrücklich die Rechtfertigungsstrategien vieler ehemaliger NS-Funktionäre: persönliche Verantwortung leugnen, die Schuld auf andere schieben und die eigenen Taten in zynischem Licht präsentieren.
Herbert Kappler bei dem Kriegsverbrecherprozeß vor dem Militärgericht in Rom im Mai 1948 © BArch, Bild 183-M0521-500, Foto ohne Angabe

Nach dem Krieg

In Italien galt Kappler als Inbegriff des deutschen Besatzungsterrors. Sein Fall wurde nicht nur juristisch, sondern auch politisch betrachtet: Eine Strafmilderung wäre als Affront gegenüber den Opfern gewertet worden. Diese Wahrnehmung trug dazu bei, dass Gnadengesuche über Jahrzehnte hinweg abgelehnt wurden.
  • Flugblatt „Kriegsgefangenenpost 1975“ zur Unterstützung der verurteilten Kriegsverbrecher Herbert Kappler und Walter Reder, die zu lebenslanger Haft in Italien verurteilt wurden. © BArch, N 756/410 (Sammlung Wolfgang Vopersal)
  • Flugblatt aus Juli 1977, das für die Freilassung der verurteilten Kriegsverbrecher Walter Reder und Herbert Kappler plädiert, den letzten in Italien inhaftierten NS-Tätern. Wenig später floh Kappler nach Deutschland. © BArch, N 756/410 (Sammlung Wolfgang Vopersal)
Die Flucht löste eine Welle der Empörung aus. Jüdische Gemeinden, Partisanenverbände und große Teile der italienischen Öffentlichkeit sahen sie als Beleidigung der Widerstandsbewegung und als Versagen der Behörden. Zahlreiche Verschwörungstheorien kursierten, doch vieles spricht dafür, dass Kappler das Krankenhaus mit Unterstützung mindestens zweier Helfer ungehindert verließ.

Quellen

Die umfangreiche Quellenlage zu Herbert Kappler spiegelt sowohl seine Bedeutung als NS-Täter in Italien als auch die anhaltende politische und öffentliche Auseinandersetzung mit seiner Person wider. Dokumente zu seiner Tätigkeit bis 1945 sind in deutschen, italienischen, britischen, amerikanischen und tschechischen Archiven überliefert. Nachkriegsquellen betreffen vor allem seinen Prozess, die Haftzeit und diplomatische Bemühungen um seine Freilassung.

Für die Zeit vor 1945 enthält das Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde in der Sammlung Berlin Document Center (BDC) Kapplers Personalunterlagen (R 9361-III/91374 und R 9361-III/534460), die seine Karriere innerhalb der Sicherheitspolizei und des SD dokumentieren. Ergänzend finden sich in R 70 Italien einzelne Dokumente zu seinem Kommando in Rom. Im Archivio Centrale dello Stato (ACS) in Rom umfasst der Bestand Uffici di polizia e comandi militari tedeschi in Italia Berichte der Abteilung III (SD-Inland) des Außenkommandos Rom. Eine umfangreiche Sammlung von SD-Berichten aus Italien (1939–1944), die Kapplers nachrichtendienstliche Tätigkeit im Amt VI des RSHA beleuchten, befindet sich im Ministerstvo vnitra České republiky (Innenministerium der Tschechischen Republik) in Prag.

Geheimdienstberichte und alliierte Ermittlungen zu Kappler sind in britischen und amerikanischen Archiven erhalten. Das The National Archives (TNA) in London verwahrt relevante Akten in den Beständen WO 204/13016 und WO 204/13006. Im National Archives and Records Administration (NARA) in den USA finden sich unter RG 226 (OSS) Dokumente zur nachrichtendienstlichen Überwachung seines Außenkommandos mit umfangreichen Befragungen.

Die juristischen Unterlagen zu Kapplers Verurteilung befinden sich in der Generalstaatsanwaltschaft beim Militärgericht in Rom. Die Tätigkeit deutscher Justizbehörden zur Aufarbeitung seiner Verbrechen ist im Bundesarchiv Ludwigsburg dokumentiert, insbesondere im Bestand B 162 (Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen) sowie im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, unter „Q 234 / Staatsanwaltschaft Dortmund, Zentralstelle für die Bearbeitung von NS-Massenverbrechen“. Besonders aussagekräftig sind die Akten aus dem Bosshammer-Verfahren der 1960er Jahre, das sich mit der Verfolgung und Deportation der Juden in Italien befasste.

Für die Zeit nach 1945 sind insbesondere deutsche Archive von Bedeutung, da sie Kapplers Prozess, Haftzeit und die politischen sowie diplomatischen Bemühungen um seine Begnadigung dokumentieren. Das Politische Archiv des Auswärtigen Amts (PAAA) in Berlin verwahrt in den Beständen B 26 und B 83 umfangreiche Dokumente zur diplomatischen Korrespondenz, zu Gnadengesuchen und zu Kapplers Flucht. Das Bundesarchiv Koblenz enthält in den Beständen B 106 (Bundesministerium des Innern) und B 136 (Bundeskanzleramt) den Schriftverkehr deutscher Behörden über Kapplers Haftbedingungen und Unterstützungsleistungen. Im Bestand B 288/10001 sowie in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR (17915/77) sind zudem Protestpetitionen dokumentiert. Weitere relevante Bestände sind B 122 (Bundespräsidialamt), B 305 (Zentrale Rechtschutzstelle) und B 141 (Bundesjustizministerium).

Im Bundesarchiv-Militärarchiv (BA-MA) in Freiburg enthält der Nachlass N 756/410 (Wolfgang Vopersal) zahlreiche Dokumente über die Unterstützung Kapplers durch die HIAG.

Eine detaillierte wissenschaftliche Analyse und Auflistung der archivierten Dokumente und der westdeutschen Unterstützung für Kappler bietet Felix Bohr in seiner Studie Die Kriegsverbrecherlobby. Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter (Berlin, Suhrkamp, 2018).

Bibliografie

Felix Bohr, Flucht aus Rom. Das spektakuläre Ende des „Falles Kappler“ im August 1977, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60 (2012), S. 111-141. 

Felix Bohr, Die Kriegsverbrecher Lobby. Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter, Berlin, Suhrkamp, 2018.

Richard Breitman, Dannecker und Kappler in Rom. Neue Quellen zur Oktober-Deportation 1943, in: Jürgen Matthäus, Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.), Deutsche – Juden – Völkermord. Der Holocaust in Geschichte und Gegenwart, Darmstadt, WBG, 2006, S. 191-203. 

Joachim Staron, Fosse Ardeatine und Marzabotto: Deutsche Kriegsverbrechen und Resistenza. Geschichte und nationale Mythenbildung in Deutschland und Italien (1944–1999), Paderborn, Schöningh, 2002.

© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“

2025

Text: CC BY NC SA 4.0

Seitenanfang