Ostfront 1941. Eine Fahrzeugkolonne der Division „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ hält in einer Ortschaft und wird von zahlreichen Zivilpersonen umgeben. © US NARA, KB-Augustin

SS-Panzer-Grenadier-Division “Leibstandarte SS Adolf Hitler”

Autor: Timo Diener & Hannah Spille

Die Leibstandarte SS Adolf Hitler (LSSAH) wurde 1933 als Hitlers persönliche Schutztruppe gegründet und entwickelte sich zu einer zentralen Eliteeinheit der Waffen-SS. Sie war an nahezu allen großen Feldzügen beteiligt und wiederholt an schweren Kriegsverbrechen, darunter Massenerschießungen, Massaker an Zivilist:innen und Verfolgung jüdischer Menschen. Besonders in Norditalien verübten ihre Einheiten 1943 Massaker am Lago Maggiore und in Boves. Die meisten Täter entgingen nach 1945 einer Bestrafung; ehemalige Angehörige wirkten in Veteranenverbänden an der Verklärung der Waffen-SS mit.

Streitkraft
Waffen-SS
Kommandeure
SS-Oberstgruppenführer Josef (Sepp) Dietrich (1933-07.43)
SS-Brigadeführer Theodor Wisch (07.43-08.44)
SS-Brigadeführer Wilhelm Mohnke (08.44-02.45)
SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS Otto Kumm (02.45-05.45)
Einheit
Panzer-Grenadier-Division
Dienstjahre
1933-1945
Feldzüge und Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg
Überfall auf Polen 1939
Feldzug im Westen 1940
Balkan und Griechenland 1941
Überfall auf die Sowjetunion (Barbarossa) 1941
Ostfront 1941-1942
Nord- und Südfrankreich 1942
Ostfront 1943
Besetzung Italiens 1943
Ostfront 1943-1944
Im Westen, Ardennenoffensive 1944-1945
Ungarn und Österreich 1945
Bestätigte Massaker

Boves (19.09.43)
Lago Maggiore (19.-24.09.43)
Pazin (Istrien) (04.10.43)
Malmedy, Stavelot (Belgien) 1944

SS-Sturmbannführer Hans-Joachim Schiller verhandelt in Parma mit italienischen Offizieren über die Kapitulation der dortigen Garnison. © US NARA, KB-Rottensteiner

Ausbildung und Kriegserfahrung

Der Einsatz in Polen verdeutlicht schon in dieser frühen Phase die ideologische Radikalisierung der Einheit und die fehlende Kontrolle über ihr Verhalten im rückwärtigen Raum.
Ab Februar 1943 wurde die Leibstandarte erneut an die Ostfront verlegt, wo sie an der Gegenoffensive im Raum Charkiw beteiligt war. Am 14. März 1943 nahm sie die Stadt zurück. Die Kämpfe waren von massiver Gewalt gegen die Zivilbevölkerung begleitet.
Unter dem Kommando von Joachim Peiper war eine Kampfgruppe der Leibstandarte an einer Reihe schwerer Kriegsverbrechen beteiligt, darunter die Erschießung von über 80 US-amerikanischen Kriegsgefangenen beim Massaker von Malmedy am 17. Dezember 1944 sowie weitere Tötungen von Gefangenen und Zivilist:innen in Stavelot, Parfondruy, Renardmont, Ster und Trois-Ponts.
  • O.C. in Pose vor dem Berghof auf dem Obersalzberg, der Adolf Hitler als Residenz diente. Männer der Leibstandarte bewachten hier das abgesperrte Gelände © Privatarchiv Gentile
  • Berchtesgaden. O.C. und Kameraden bei einem Ausflug in die Berge © Privatarchiv Gentile
  • Polen, 2. September 1939. SS-Männer vor einem soeben eingenommenen, brennenden Dorf © Privatarchiv Gentile
  • Polen, September 1939. Brennende Strohschober © Privatarchiv Gentile
  • Ende Mai 1940 in Flandern, während der Schlacht um Dünkirchen © Privatarchiv Gentile
  • Französische Kriegsgefangene marschieren durch Bocholt in Westfalen © Privatarchiv Gentile
  • Frankreich, Compiègne. Deutsche Soldaten an der „Clairière de l’Armistice“, dem Ort, an dem 1918 der Waffenstillstand unterzeichnet wurde. 1940 bestand Adolf Hitler darauf, dass auch die französische Kapitulation im gleichen Eisenbahnwaggon unterzeichnet werden musste – als demonstrative Revanche für 1918 © Privatarchiv Gentile
  • Vermutlich Metz, Weihnachten 1940: Adolf Hitler und Heinrich Himmler besuchen die Division „Leibstandarte“. Im Hintergrund die SS-Führer Sepp Dietrich, Joachim Peiper und Max Wünsche © Privatarchiv Gentile
  • O.C. bei der Reparatur seines Zündapp-Kraftrads während der Ausbildung in Frankreich, 1941 © Privatarchiv Gentile
  • O.C. posiert schwerbewaffnet in Tarnjacke in Nordrussland, 1942 © Privatarchiv Gentile
  • Brennendes Dorf in Russland, 1942 © Privatarchiv Gentile
  • O.C. (rechts) mit einem Kameraden in Russland, 1943 © Privatarchiv Gentile
  • O.C. (zweiter von links) mit Kameraden vor einem Zelt in Oberitalien, Sommer 1943 © Privatarchiv Gentile

Nach dem Krieg

  • Treffen der HIAG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS) 1968 in Nassau. In der Nachkriegszeit trug die HIAG wesentlich zur Verbreitung des Mythos bei, die Waffen-SS seien „Soldaten wie andere auch“ gewesen. © Privatarchiv Gentile
  • Besuch ehemaliger SS-Angehöriger am Soldatendenkmal in Nassau. Vorn: Max Hansen, SS-Standartenführer a. D. der Leibstandarte, daneben ein unbekanntes Mitglied in Tiroler Tracht. © Privatarchiv Gentile
Die Aktivitäten der HIAG und die Mythenbildung um Figuren wie Peiper zeigen, wie intensiv ehemalige Waffen-SS-Angehörige daran arbeiteten, ihre Rolle im NS-System umzudeuten und sich gesellschaftlicher Verantwortung zu entziehen.

Quellen

Die Überlieferung zur SS-Panzergrenadier-Division „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ ist fragmentarisch. Im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg sind lediglich Teilbestände überliefert, darunter der Bestand RS 3-1 (1. SS-Panzer-Division „Leibstandarte-SS Adolf Hitler“) sowie operative Unterlagen des II. SS-Panzerkorps (Bestand RS 2-2). Von zentraler Bedeutung für die Forschung sind die Ermittlungs- und Gerichtsakten in der Außenstelle Ludwigsburg des Bundesarchivs (Bestand B 162). Dort befinden sich die Unterlagen der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zu Kriegsverbrechen der Division, unter anderem zu den Massakern am Lago Maggiore, in Boves, in der Provinz Cuneo sowie in Istrien. Auch die Verfahren zum Malmedy-Massaker sind in diesem Bestand dokumentiert. Einen weiteren wichtigen Quellenbestand bildet die juristische Aufarbeitung in der Bundesrepublik, insbesondere die Unterlagen zum Prozess vor dem Landgericht Osnabrück 1968 gegen ehemalige Angehörige der Leibstandarte wegen ihrer Beteiligung am Massaker am Lago Maggiore. Diese Dokumente werden heute im Niedersächsischen Landesarchiv, Standort Osnabrück (Bestand NLA OS Rep 945), aufbewahrt. Für die Nachgeschichte der Division und die Erinnerungspolitik ehemaliger SS-Angehöriger ist zudem der Bestand B 438 des Bundesarchivs von Relevanz. Er enthält die Unterlagen der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS“ (HIAG) sowie des „Bundesverbands der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS e. V.“ und dokumentiert deren Lobbyarbeit, Publikationstätigkeit und politische Kontakte. Ergänzend zur archivalischen Überlieferung war für diesen Beitrag die Forschungsliteratur zentral, insbesondere die biografische Studie von Jens Westemeier über Joachim Peiper, die Untersuchung von René Rohrkamp zur Waffen-SS sowie die Arbeiten von Karsten Wilke zur HIAG. Für die erinnerungspolitischen Dimensionen nach 1945 war zudem der Sammelband von Jan Erik Schulte und Michael Wildt maßgeblich.

Bibliografie

Carlo Gentile, Settembre 1943. Documenti sull'attività della divisione "Leibstandarte-SS-Adolf-Hitler" in Piemonte, in: Il presente e la storia, Nr. 47, 1995, S. 75-130.

Jean-Luc Leleu, La Waffen-SS. Soldats politiques en guerre, Paris, Perrin, 2007.

René Rohrkamp, "Weltanschaulich gefestigte Kämpfer". Die Soldaten der Waffen-SS 1933-1945: Organisation - Personal - Sozialstrukturen, Paderborn, Schöningh, 2010.

Jan Erik Schulte, Michael Wildt (Hrsg.), Die SS nach 1945: Entschuldungsnarrative, populäre Mythen, europäische Erinnerungsdiskurse, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2018.

Jens Westemeier, Himmlers Krieger. Joachim Peiper und die Waffen-SS in Krieg und Nachkriegszeit, Paderborn, Schöningh, 2014.

Karsten Wilke, Die "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit" (HIAG) 1950–1990. Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik, Paderborn, Schöningh, 2011.

Timo R. Worst, A Week of Horror in the Ardennes: An Investigation into the War Crimes of Schnelle Gruppe Knittel. December 1944: Stavelot, Parfondruy, Renardmont, Ster and Trois-Ponts, Zwaag/NL, Pumbo, 2022.

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