Ein Schwarz-Weiß-Porträt von Gerhard Sommer, das ihn 1939 im Alter von 18 Jahren zeigt. Er trägt die Uniform eines Freiwilligen der SS-Standarte 2 "Germania". Auf seiner Mütze ist das Totenkopf-Abzeichen der gleichnamigen SS-Division zu erkennen. Sommers linke Seite sowie sein Kopf sind der Kamera zugewandt, er blickt aber nicht direkt hinein.
Gerhard Hermann Otto Sommer 1939, 18-jähriger Freiwilliger der SS-Standarte 2 ”Germania” in Hamburg. Von den Amerikanern gefangen genommene SS-Männer bezeugten seine Rolle bei dem Massaker von Sant'Anna di Stazzema. © Militärgericht Rom

Gerhard Hermann Otto Sommer

* "24 Juni 1921" – Hamburg
† "22 Februar 2017" – Hamburg

Gerhard Sommer wurde 2005 von einem italienischen Militärgericht wegen seiner Beteiligung am Massaker von Sant’Anna di Stazzema zu lebenslanger Haft verurteilt. In Deutschland hingegen zogen sich die Ermittlungen gegen ihn hin und wurden schließlich eingestellt.

Sommer stammte aus Hamburg und war Mitglied der Hitlerjugend, später der NSDAP. Im Oktober 1939 trat er in die Waffen-SS ein. In der SS-Division Leibstandarte-SS “Adolf Hitler” kämpfte er 1941 auf dem Balkan und an der Ostfront, was ihm Auszeichnungen und die Beförderung zum SS-Unterscharführer einbrachte. Ab 1944 war er als Zug- und später Kompanieführer im Verband der Division „Reichsführer-SS“ in der Toskana eingesetzt. Er befehligte beim Massaker von Sant’Anna di Stazzema die 7. Kompanie, deren Männer an der Erschießung von Frauen und Kindern auf dem Kirchplatz beteiligt waren. 

Nach dem Krieg blieb Sommer unbehelligt. Die Militärstaatsanwaltschaft La Spezia identifizierte ihn erst 2001. Die Ermittlungen wurden durch das im Folgejahr ausgestrahlte Interview des Journalisten Udo Gümpel mit Sommer beschleunigt. Seit 2015 nicht mehr verhandlungsfähig, starb Sommer im Februar 2017 in seiner Heimatstadt.

Nationalität
deutsch
Formation
Hitlerjugend
SS
Truppengattung
Waffen-SS
Eintritt in die NSDAP
1939
Streitkraft
Waffen-SS
Einheit
SS-Standarte 2 “Germania”
8. Kompanie Leibstandarte-SS “Adolf Hitler“
16. SS-Panzer-Grenadier-Division „Reichsführer-SS“
Dienstjahre
1939-1945
SS-Untersturmführer der Reserve
Feldzüge und Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg
Balkan (Serbien und Griechenland)
Überfall auf die Sowjetunion
Ostfront (Ukraine)
Besatzung Italiens 1944-1945
Ostfront (Österreich)
Bestätigte Massaker

Sant’Anna di Stazzema

Nachkriegszeit

2005 verurteilte ihn das Militärgericht in La Spezia in Abwesenheit zu lebenslanger Haft. Das Urteil wurde rechtskräftig.

2015 wurde das deutsche Verfahren gegen ihn wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit eingestellt.

Ausbildung und Erfahrung im Krieg

Beteiligung an Massakern an Zivilisten

Während des Massakers von Sant’Anna di Stazzema diente Sommer als Chef der 7. Kompanie. Der erste Hinweis auf seine Beteiligung an dem Massaker findet sich in einem Bericht über das Verhör einiger SS-Soldaten durch amerikanische Truppen.

Nach dem Krieg

Bis zum Fund der Akten im sogenannten “Schrank der Schande” 1994 blieb Sommers Name den Ermittlern unbekannt. 1996 erreichten erste Anfragen zu seiner Person über Interpol unter anderem die Zentrale Stelle Ludwigsburg, das Bundesarchiv sowie die Deutsche Dienststelle. Erst Ende 2001 wurde er identifiziert.
Das Farbfoto zeigt den Moment, in dem die Journalisten René Althammer und Udo Gümpel Gerhard Sommer 2002 in Hamburg mit seiner Vergangenheit in der 16. SS-Panzer-Grenadier-Division konfrontieren, die in Italien zahlreiche Massaker beging. Im Jahr 2005 verurteilte ihn das Militärgericht von La Spezia wegen der Teilnahme am Massaker von Sant’Anna di Stazzema. Als Althammer und Gümpel Sommer aufsuchten, war dieser gerade mit der Gartenarbeit beschäftigt. Das Foto zeigt ihn in Jacke und Mütze, eine Schaufel haltend. Zu den gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen sagte er: “Da sollen die ermitteln, da kann ich nichts gegen machen, aber ich hab keine Lust mich jetzt noch dazu zu äußern, für mich ist diese Zeit erledigt, ich habe keinen Grund, mir Vorwürfe zu machen, ich hab ein absolut reines Gewissen, ich möchte Sie bitten, das Grundstück zu verlassen!”
“Da sollen die ermitteln, da kann ich nichts gegen machen, aber ich hab keine Lust mich jetzt noch dazu zu äußern, für mich ist diese Zeit erledigt, ich habe keinen Grund, mir Vorwürfe zu machen, ich hab ein absolut reines Gewissen, ich möchte Sie bitten, das Grundstück zu verlassen!” Gerhard Sommer wird 2002 in Hamburg von Udo Gümpel und René Althammer mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Im Jahr 2005 verurteilte ihn das Militärgericht von La Spezia wegen der Teilnahme am Massaker von Sant’Anna di Stazzema. © rbb Red. Kontraste

Quellen

Zu Gerhard Sommers Leben gibt es nur wenige Quellen. Die verfügbaren Dokumente beziehen sich auf seine kurze militärische Laufbahn. Vollständigere Daten finden sich in den Unterlagen der Verfahren der deutschen und italienischen Gerichte, die beim Militärgericht in Rom verfügbar sind. Dazu gehören Dokumente und Fotos, die bei einer Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellt wurden. Einige persönliche Dokumente befinden sich im Bundesarchiv in Berlin: BArch, Lichterfelde, SSO Gerhard Sommer, Gebührniskarte und Offizierskarte; BArch, PA (ex WASt), P.O.W. Form/ Kriegsgefangenen oder kapitulierten Mannschaften Form, Z-Karte S 2085/279.

Auswahl der Bibliografie

Carlo Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943-1945, Paderborn, Schöningh, 2012, S. 279, 281.

Autor*innenschaft und Übersetzung

Autor: Carlo Gentile

Übersetzt aus dem Italienischen durch: Giulia Gostoli

© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“

2023

Text: CC BY NC SA 4.0

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