Individuelle Geschichten: Die Ambivalenz zwischen Opportunismus und Freiwilligkeit

Die Geschichten der Deserteure unterschieden sich oft erheblich voneinander. Im Sommer 1944 begannen einige Luftwaffensoldaten aus der Garnison von Albinea (Reggio Emilia), Kontakte zu den Partisanen zu knüpfen, um sich ihnen anzuschließen. Ihre Pläne wurden jedoch entdeckt, und nach einem Schnellverfahren wurden sie wegen Hochverrats hingerichtet. Einer der bekanntesten deutschen Deserteure in Italien ist der Bremer Rudolf Jacobs, der angeblich als Marineoffizier und überzeugter Gegner des Nationalsozialismus agierte. Vieles, was über sein Leben bekannt ist, beruht jedoch eher auf Legenden oder Erfindungen.

Tatsächlich war Jacobs eine ambivalente Persönlichkeit, ein einfacher Soldat, der kaum die Autorität besaß, um die ihm zugeschriebene Rolle auszufüllen. Auch seine vermeintlich frühe Abneigung gegen den Nationalsozialismus ist fragwürdig. Dokumente, die wir im Rahmen unseres Projekts aus den Archiven erhalten haben, belegen, dass Jacobs seit dem 1. April 1935 Mitglied der NSDAP war.

Viele Soldaten desertierten aus opportunistischen Motiven: Sie wollten ihren militärischen Pflichten entkommen, ihre verlorenen Freiheiten zurückgewinnen oder litten unter starkem Heimweh. Die Flucht aus den eigenen Reihen konnte sowohl geplant als auch spontan erfolgen, oft begünstigt durch Phasen des Rückzugs, einsame Wachdienste, nächtliche Dunkelheit, mangelnde Aufsicht durch Vorgesetzte oder durch Begegnungen mit italienischen Zivilisten, die bereit waren, Hilfe und Unterstützung zu leisten. Häufig wurden Italiener verhaftet und hingerichtet, weil sie Wehrmachtssoldaten zur Desertion ermutigt hatten.

Unter den Deserteuren fanden sich auch junge Intellektuelle wie Laci Boldemann, ein Musiker und Komponist deutscher und finnischer Herkunft, der im Sommer 1944 in Mittelitalien gemeinsam mit einem Kameraden einen Nachrichten-Nahaufklärungs-Trupp verließ und nach einem langen, abenteuerlichen Marsch über den Apennin die alliierten Linien erreichte. Willi Sitte, der später zu den führenden Malern der Nachkriegs-DDR zählen sollte, desertierte kurz vor Kriegsende in Venetien und schloss sich einer örtlichen Partisaneneinheit an.

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