
Die Italienischen Militärinternierten
Autor: Milan Spindler
Der Einschnitt des 8. September 1943

Am 8. September 1943 kapitulierte Italien, das bis zu diesem Zeitpunkt an der Seite des Deutschen Reiches gekämpft hatte, und schloss einen separaten Waffenstillstand mit den Alliierten. Die Bekanntgabe der Kapitulation traf die deutsche Militärführung nicht unvorbereitet. Der „Fall Achse“ trat in Kraft, woraufhin die bereits auf der Halbinsel stationierten deutschen Truppen die von den Alliierten noch nicht besetzten Teile des italienischen Festlandes, wie beispielsweise Parma und Barletta übernahmen und italienische Soldaten gefangennahmen. Gleiches geschah mit den im früheren Jugoslawien, Albanien, Frankreich und Griechenland gelegenen Gebieten unter italienischer Kontrolle.
Bereits bei der Gefangennahme und Entwaffnung gingen die deutschen Truppen brutal gegen diejenigen Soldaten des ehemaligen Verbündeten vor, die Widerstand leisteten, und erschossen in den ersten Wochen nach dem Waffenstillstand besonders auf dem Balkan und in Griechenland mehr als dreitausend Offiziere und Soldaten. Als besonders prägende Beispiele gelten in der italienischen Erinnerung die Massaker an Soldaten auf den Mittelmeerinseln Kefalonia und Korfu sowie im kroatischen Trilj. Auch nach der Gefangennahme durch die deutsche Wehrmacht wurden italienische Soldaten als „Verräter“ gebrandmarkt und dementsprechend schlecht behandelt. Durch das deutsch-italienische Bündnis bisher kaschierte rassistische und auch antikatholische Vorurteile gegenüber Italiener:innen brachen sich nun sowohl bei deutschen Soldaten als auch in der Zivilbevölkerung Bahn. Schon beim Transport in die Lager im Deutschen Reich und im besetzten Polen waren die Lebensbedingungen der gefangenen Soldaten dementsprechend schlecht.
Gefangennahme und Transporte
Die Erfindung der Italienischen Militärinternierten
Obwohl die etwa 700.000 gefangenen italienischen Soldaten ursprünglich als Kriegsgefangene klassifiziert und damit unter den Schutz der Genfer Konvention gestellt waren, erklärte sie die deutsche Regierung zu “Italienischen Militärinternierten” (IMI). Dadurch verloren sie in den Kriegsgefangenenlagern der Wehrmacht sowie während der Zwangsarbeit jeglichen rechtlichen Schutz und die Unterstützung durch das Internationale Rote Kreuz. Ebenso waren sie von deutscher Seite bewusst einer schlechten Ernährung ausgesetzt, welche sich anhand ihrer Arbeitsleistung maß (sog. Leistungsernährung) und Krankheit, Verletzungen und anderweitig fehlende Arbeitskraft gnadenlos durch Nahrungsentzug bestrafte. Die italienischen Soldaten wurden gegen internationales Recht besonders oft in kriegswichtigen Bereichen wie der Rüstungsindustrie und dem Bergbau als Zwangsarbeiter eingesetzt. Die Schaffung dieses Sonderstatus des „Militärinternierten“ war in der Konsequenz eine verschärfte, nicht völkerrechtskonforme Kriegsgefangenschaft und eine Bestrafung der „verräterischen Italiener“, welche auf Adolf Hitlers direkten Befehl hin geschah.
In der Gefangenschaft im Deutschen Reich

Widerstand ohne Waffen
Die kriegsgefangenen Italiener hatten unmittelbar nach ihrer Gefangennahme, aber auch in den folgenden Monaten, immer wieder die Möglichkeit, aus den Kriegsgefangenenlagern und der Zwangsarbeit entlassen zu werden, wenn sie sich im Gegenzug zur Weiterführung des Krieges auf Seiten der Deutschen verpflichteten. Sie konnten sich entweder unmittelbar der Wehrmacht unterstellen oder sich den neu aufgestellten Truppen der Italienischen Sozialrepublik (Repubblica Sociale Italiana, Abk. RSI), dem Satellitenstaat unter Führung Benito Mussolinis in Norditalien, anschließen. Die RSI sah in dem Aufbau einer eigenen Armee die Möglichkeit, unabhängiger vom übermächtigen Deutschland zu werden, sodass die Verwendung der italienischen Soldaten als Zwangsarbeiter auch zu Konflikten in dem ungleichen Bündnis führte. Bei stundenlangen Appellen versuchten Anwerber der RSI die Soldaten zum Übertritt zu überzeugen.
Der Großteil der Gefangenen lehnte diese Option ab und blieb bis zum Kriegsende in deutscher Gefangenschaft. Für diese sogenannten Resistenza senza armi (Widerstand ohne Waffen, in Anlehnung an die Widerstandsbewegung der Partisan:innen) gab es mehrere, sich oft überschneidende Gründe: ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Deutschen und ihren Versprechungen, die Vereidigung auf den zu den Alliierten geflohenen italienischen König, die Angst vor Tod oder Verwundung beim Einsatz an der Ostfront und auch die Enttäuschung vom Faschismus und Benito Mussolini
Italienische Soldaten in der Zwangsarbeit
Die im Herbst 1943 ins Deutsche Reich deportierten italienischen Soldaten wurden in der deutschen Kriegswirtschaft dringend benötigt. Immer mehr junge deutsche Männer fehlten durch den Einzug der Wehrmacht in allen Bereichen der Wirtschaft, sodass die Ankunft von hunderttausenden arbeitsfähigen Menschen von der deutschen Regierung und Industrie begrüßt wurde.
Die Verteilung der IMI in die Zwangsarbeit erfolgte trotz ihrer neuen Bezeichnung durch die Wehrmacht in ihren jeweiligen Wehrkreisen. Während die Offiziere meist in sogenannten Oflag (Offizierslagern) verblieben, wurden Mannschaften und Unteroffiziere zunächst in den Stalag (Stammlagern) registriert und ihren Arbeitsplätzen zugewiesen.
Der Alltag der IMI während der Zwangsarbeit war von einem Teufelskreis aus harter Arbeit, Hunger und Krankheit geprägt. Konnten Gefangene aufgrund von Krankheit weniger arbeiten, so erhielten sie weniger Nahrung und wurden schwächer. Dies führte wiederum zum Ausbruch von Seuchen, welche aufgrund fehlender medizinischer Versorgung schnell tödlich sein konnten. Tausende IMI starben aufgrund der Folgen von Hunger, Arbeit und Krankheit, oft an der gefürchteten Tuberkulose. Doch nicht nur Hunger, Krankheiten oder Übergriffe der Deutschen gefährdeten das Leben der IMI. Da sie oft in der Rüstungsindustrie oder an Orten der Infrastruktur wie Bahnhöfen arbeiten mussten, waren sie meist in deren Nähe untergebracht. Gerade diese Arbeitsorte und Unterkünfte wurden von den Alliierten besonders häufig bombardiert. Gleichzeitig war Zwangsarbeiter:innen der Zutritt zu Bunkern verwehrt. Neben der Gefahr durch Bombenangriffe zu sterben, existierte auch das Risiko, zu Aufräumarbeiten herangezogen zu werden und bei der Explosion von Blindgängern zu sterben.
Im Sommer 1944 wurden viele Millitärinternierte in den Status als zivile Zwangsarbeiter „entlassen”, die Leistungsernährung abgeschafft und die Gefangenen unterstanden nicht mehr der Kontrolle durch die Wehrmacht. Die NS-Führung erhoffte sich durch diesen Schritt eine Steigerung der Arbeitsleistung. Viele IMI protestierten gegen diese Umwandlung, da sie einerseits den Zugriff der Gestapo fürchteten, vor dem sie bisher als Militärinternierte geschützt gewesen waren, und andererseits besorgt waren nach ihrer Rückkehr nach Italien in den Verdacht der freiwilligen Kollaboration mit den Deutschen zu geraten.
Zwischen Bangen und Hoffnung: Die letzten Kriegstage bis zur Befreiung
Das Kriegsende
Die letzten Wochen vor der Befreiung der Lager und dem Ende der Zwangsarbeit im Frühjahr 1945 waren für die Gefangenen sowohl gefährlich als auch hoffnungsvoll. Zwar drangen immer mehr Informationen von außen in die Lager und ein Sieg der Alliierten zeichnete sich bereits durch ihre Lufthoheit ab. Mit den zahlreichen Bombardierungen, den heftigen und näher rückenden Gefechten und der Auflösung der deutschen Infrastruktur erreichten allerdings immer weniger Nahrung und Medizin die Kriegsgefangenenlager und Arbeitsstätten. Die sich immer weiter nachlassende allgemeine Versorgung verschärfte so auch die Lebensumstände der Gefangenen.
Gleichzeitig wurde diese Verschlechterung als immer bedrohlicher wahrgenommen als bisher, da die schlimmste Vorstellung vieler IMI war, kurz vor der Befreiung zu erkranken oder zu sterben. Die Mehrheit erlebte eine schwindende Solidarität sowie zunehmende Verzweiflung und Egoismus bei ihren Mitgefangenen. Ebenso beschäftigten die zahlreichen Gerüchte um eine baldige Evakuierung der Lager die Gefangenen. Gerade bei kranken Internierten in den Lagern löste dies die Angst aus, zu schwach für einen längeren Fußmarsch zu sein, was ihren Tod bedeutet hätte.
So schwankte die Stimmung vieler IMI gerade in den Tagen und Wochen vor der Ankunft der alliierten Truppen zwischen Hoffen und Bangen. Dabei wurde das Verhalten der Wachmannschaften, der Gestapo und auch der deutschen Zivilbevölkerung gegenüber den Gefangenen immer feindlicher, sodass die IMI Vergeltungstaten auf unterster Ebene fürchteten. Wie die zahlreichen Massaker in dieser Endphase des Krieges durch deutsche Militärs, Lagerwachen, Gestapo, SS, Hitlerjugend und Volkssturm, aber auch durch die deutsche Zivilbevölkerung zeigten, war dies keine unbegründete Annahme. In den letzten Kriegswochen wurden beispielsweise in Kassel, Hildesheim oder bei Treuenbrietzen hunderte Italiener kurz vor der ‘Befreiung’ von deutschen Repressionsorganen ermordet.
In den östlichen Gebieten des Deutschen Reiches hatten die IMI zudem Sorge vor den sowjetischen Streitkräften. Neben der deutschen Bevölkerung fürchteten die IMI auch eine Vergeltung vonseiten der vorrückenden Roten Armee gegen die von 1941 bis 1943 beim Überfall auf die Sowjetunion eingesetzten italienischen Soldaten. Diese Sorge spielte eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Stimmung der IMI, die dem Kriegsende deswegen zunächst ambivalent entgegensahen und lieber von den Westalliierten befreit worden wären.

Nach der Befreiung
Nach Kriegsende planten die Alliierten, die italienischen Kriegsgefangenen, nun als Displaced Persons wie viele andere ehemalige Zwangsarbeiter:innen und Überlebende, in größeren Gruppen und zeitlichen Abständen über Durchgangslager nach Italien zu repatriieren. Dieser Planung lag die Vermeidung einer individuellen und möglicherweise chaotischen Form der Rückreise zugrunde. Durchschnittlich lagen zwischen der Befreiung und der Repatriierung der IMI vier bis fünf Monate. Die Repatriierung der italienischen Staatsangehörigen fand also im Vergleich zu den ehemaligen polnischen oder sowjetischen Gefangenen zügig statt, wenn auch in der sowjetischen Besatzungszone langsamer. Diese im Vergleich längeren Wartezeiten resultierten aus strukturellen Unterschieden in der Logistik der verschiedenen Siegermächte und größeren Sprachschwierigkeiten.
Am Brenner wurden die Ankömmlinge durch Verpflegungsstationen begrüßt und in Durchgangslager gebracht, von wo aus sie in ihre Heimatstädte zurückkehren konnten. Insgesamt sind 635.132 ehemalige Militärinternierte in diesen Durchgangslagern registriert worden. Auf circa weitere 150.000 wird die Anzahl derjenigen geschätzt, die ohne Sammeltransport in die Heimat zurückkehrten. Schätzungen gehen von über 50.000 in deutscher Hand verstorbenen Italienischen Militärinternierten aus, hinzu kommen an die 10.000 vermisste Personen.
Unterschiedlichste Schwierigkeiten nach dem Krieg
Rückkehr und Erinnerung

Die Repatriierten fanden ein sowohl politisch als auch gesellschaftlich vollständig gewandeltes Italien vor. Nach dem Kriegsende in Norditalien am 25. April 1945 galt in Italien die Resistenza als der große und positive nationale Mythos eines sich selbst vom Faschismus befreienden Landes. Die italienischen Militärinternierten wurden nach ihrer Rückkehr entweder ignoriert oder mit Argwohn betrachtet: Dabei wurde ihnen nicht nur Kollaboration mit dem Feind, also das Arbeiten für die deutsche Kriegsindustrie, und eine mögliche Empfänglichkeit für den Neofaschismus vorgeworfen.
Schließlich erinnerten sie die Mehrheitsbevölkerung unausweichlich an die „Schande vom 8. September“, also die vollständige und kampflose Auflösung des italienischen Heeres und die Flucht des Königs. Sie waren also weder Teil des Sieges gegen den „Nazifaschismus“ wie die Partisan:innen noch Opfer des Faschismus, sondern galten als Kämpfer für den Faschismus und wurden teilweise von ehemaligen Widerstandskämpfer:innen diskreditiert.
Neben dem Schock, dass sich die italienische Gesellschaft rasant gewandelt hatte, waren besonders die Todesnachrichten von Angehörigen einschneidende Momente nach ihrer Ankunft. Auch hatten es die ehemaligen Internierten ungleich schwerer einen Arbeitsplatz zu bekommen. Viele Militärinternierte schwiegen oft bis zu ihrem Tod über ihre Erlebnisse, während der Resistenza in der lokalen wie nationalen Erinnerungskultur ein dominanter Platz eingeräumt wurde, der das Schicksal anderer Opfergruppen in den Hintergrund drängte.
Eine Ausnahme bildete der „Verband der ehemaligen Italienischen Militärinternierten“, kurz ANEI (Associazione Nazionale Ex Internati), welcher nach dem Krieg versuchte, den ehemaligen Militärinternierten eine politische Stimme zu geben. Seit April 2024 diskutieren Senat und Abgeordnetenkammer die Etablierung eines Gedenktags zur Erinnerung an das Schicksal der Italienischen Militärinternierten. Im Gespräch ist dafür der 20. September als das Datum, an dem die italienischen Kriegsgefangenen auf Befehl Adolf Hitlers zu Militärinternierten erklärt wurden.
Im Privaten blieben die Ego-Dokumente der ehemaligen IMI oft für Jahrzehnte verborgen, bis sich die Generation der Kinder und Enkel:innen für das Erlebte ihrer Väter, Onkel und Großväter interessierte. Dieses Schweigen war eine Art, mit den Erfahrungen umzugehen und auf gewisse Weise abzuschließen.
Aufarbeitung

Trotz dieses Schweigens der Erlebnisgeneration findet das Thema der Militärinternierten sowohl in Italien als auch im geringeren Ausmaß in Deutschland in den letzten Jahren mehr Beachtung. So bemüht sich die nächste Generation in den Überlebendenverbänden um eine zeitgemäße museale wie digitale Vermittlung der Geschichte der IMI. Gleichzeitig erschienen zuletzt sowohl (populär-)wissenschaftliche Publikationen zu dem Thema als auch viele Tagebücher und Erinnerungsberichte von Überlebenden, welche ihre Kinder oder Enkel herausgeben und bekanntmachen. Und auch an den Universitäten, Gedenkstätten und Geschichtsinstituten in Deutschland wie in Italien beschäftigen sich Forscher:innen, Nachkommen und Geschichtsinitiativen vermehrt mit der Internierung der italienischen Soldaten, auch wenn weiterhin große Forschungslücken bestehen.
Ein Beispiel dafür sind die großen Lager für IMI im heutigen Polen. Zu ihnen existiert so gut wie keine Literatur, obwohl eine Auseinandersetzung mit den Lagern für das Verständnis der Geschichte der IMI dringend nötig wäre, da viele von ihnen vor ihrem Eintreffen im Reichsgebiet interniert waren.
Gerhard Schreiber veröffentlichte 1990 das erste Standardwerk zum Thema der italienischen Kriegsgefangenen und später Militärinternierten in deutscher Hand. Erstmalig wurden auf mehreren hundert Seiten die zentralen Themen wie Gefangennahme, rechtlicher Status, Zwangsarbeit oder Endphaseverbrechen wissenschaftlich von deutscher Seite erforscht. Das Buch wurde mit dem Preis für Geschichtsbücher der italienischen Stadt Acqui ausgezeichnet. Die Publikation bildete die Grundlage zur weiteren Erforschung des Themenkomplexes, wie sie etwa von Gabriele Hammermann vorangebracht wurde.
Strafverfolgung
Strafrechtlich verfolgt und meist milde verurteilt wurden die Internierung und der Einsatz der Zwangsarbeit also sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der Deutschen Demokratischen Republik nur in Verbindung mit anderen Taten wie Erschießungen oder Misshandlungen. So wurde beispielsweise Franz Marmon, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD) in Kassel, am 5. Februar 1952 durch das Schwurgericht am Landgericht Kassel zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Er hatte am 31. März 1945, kurz vor dem Eintreffen der US-Armee, die Erschießung von 78 IMI am Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe befohlen.
Darüber hinaus wurden in den Nachkriegsprozessen nur die Hauptverantwortlichen für den Transport ins Deutsche Reich zum Zwecke der Zwangsarbeit und „Versklavung“ bestraft. Für das kollektive Unrecht den italienischen Soldaten ihren Status als Kriegsgefangene abzuerkennen und zu hunderttausenden in die Zwangsarbeit zu schicken, wurde niemand angeklagt und verurteilt.
Entschädigung
Eine Entschädigung oder „Wiedergutmachung“ der italienischen Militärinternierten, die Deportation und Zwangsarbeit erlitten hatten, war in der Nachkriegszeit weder von der neuen Republik Italien noch von der Bundesrepublik Deutschland oder der Deutschen Demokratischen Republik vorgesehen. Das Londoner Schuldenabkommen 1953 verschob Ansprüche von ausländischen Zwangsarbeiter:innen auf einen später zu konzipierenden Friedensvertrag und diente als Mittel zur Blockierung jedweder italienischer Forderungen. Binationale Abkommen wie das Abkommen vom 2. Juni 1961 zwischen den beiden Staaten zur Entschädigung der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung schlossen die italienischen Kriegsgefangenen bewusst aus. Deutschland argumentierte mit der Einschätzung, dass die IMI trotz Umbenennung im September 1943 und der Statusumwandlung im Sommer 1944 ausschließlich und durchgehend Kriegsgefangene gewesen seien, obwohl sie von der nationalsozialistischen Regierung ausdrücklich anders benannt und behandelt wurden.
Trotz der in den 1980er und 1990er Jahren aufkommenden Diskussionen um die IMI, wertete 2001 die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zusammen mit den deutschen Verwaltungsgerichten das erlittene Unrecht nicht als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Damit übernahmen sie implizit die Verteidigungsstrategie der angeklagten Organisatoren der NS-Zwangsarbeit. Diese hatten beispielsweise in den Nürnberger Nachfolgeprozessen gegen wichtige Industrielle oder das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt der SS vom massenhaften Einsatz von Zwangsarbeiter:innen als einer „unvermeidlichen Begleiterscheinung des Krieges“ gesprochen.
Versuche vonseiten der ehemaligen Kriegsgefangenen, ihre Ansprüche individuell geltend zu machen, scheiterten bisher außerhalb von Italien vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Berliner Verwaltungsgericht und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Somit sind noch lebende ehemalige IMI weiterhin von Entschädigungen von deutscher Seite sowohl durch staatliche Stellen als auch von den beteiligten Unternehmen ausgeschlossen. Dazu werden den ehemaligen Militärinternierten ihre zugestandenen und im Krieg nicht überwiesenen Lohnüberweisungen aus der Zeit der Zwangsarbeit weiterhin vorenthalten.
In Italien hingegen sprachen Gerichte in den letzten Jahren ehemaligen Internierten Ansprüche auf Entschädigung zu. So können durch diese Urteile seit 2022 ehemalige Internierte und ihre Angehörigen Gelder aus einem staatlichen Fond beantragen.
Quellen
Ein zentrales Archiv für die Forschung zu den Italienischen Militärinternierten existiert nicht. Stattdessen finden sich sowohl in Italien als auch in Deutschland verschiedene Archive, die relevante Informationen zu unterschiedlichen Aspekten dieses Themenkomplexes bereithalten.
Das Archiv des italienischen Verteidigungsministeriums in Rom enthält militärbiografische Unterlagen zahlreicher Soldaten. Diese Dokumente können Hinweise auf eine Internierung liefern, insbesondere wenn die betreffende Person Zeit im Deutschen Reich verbracht hat und Rentenansprüche geltend gemacht hat.
In Deutschland finden sich viele Dokumente in der zentralen Personenkartei der ehemaligen Wehrmachtauskunftsstelle (WASt), die sich heute im Bundesarchiv Berlin-Tegel (Abteilung PA) befindet. Gerade zu den Aufenthalten in den Stamm- und Offizierslagern der Wehrmacht kann dort geforscht werden.
Die Zwangsarbeit von Italienischen Militärinternierten, ebenso wie ihre Erfassung und Repatriierung nach Kriegsende, sind Gegenstand vieler Dokumente, die sich über die Online-Datenbank der Arolsen Archives ausfindig machen lassen. Der Arbeitseinsatz wird auch oft in den Unterlagen der Betriebe beschrieben. In Westdeutschland befinden sich entsprechende Unterlagen häufig in Privatarchiven der Betriebe. In Ostdeutschland hingegen sind sie aufgrund des ehemaligen Status der Firmen als staatliche Betriebe meist in den regionalen Staatsarchiven zugänglich.
Zudem existieren in Italien viele kleinere Archive und Institute, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg befassen. Dort liegen oft Erinnerungsberichte, Tagebücher oder Erfassungsbögen von ehemaligen italienischen Militärinternierten der jeweiligen Herkunftsregionen.
Bibliografie
Adolfo, Mignemi, Storia fotografica della prigionia dei militari italiani in Germania, Bollati Boringhieri, Torino, 2005.
Christiane, Glauning, Zwischen allen Stühlen, Die Geschichte der Italienischen Militärinternierten 1943-1945, Stiftung Topographie des Terrors, Berlin, 2017.
Gabriele, Hammermann, Zwangsarbeit für den „Verbündeten“. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der italienischen Militärinternierten in Deutschland 1943-1945, De Gruyter, Tübingen, 2002.
Gabriele, Hammermann, Zeugnisse der Gefangenschaft. Aus Tagebüchern und Erinnerungen italienischer Militärinternierter in Deutschland 1943-1945, De Gruyter, Berlin, 2014.
Gerhard, Schreiber, Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943-1945. Verraten. Verachtet. Vergessen, R. Oldenbourg, München 1990.
Susanne, Wald/Enrico, Iozzelli, Wir haben "Nein" gesagt. Zehn italienische Militärinternierte in nationalsozialistischen Lagern 1943-1945, Comites Hannover, Hannover, 2022.
© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“
2025