Politische Führung im Widerstand: Das Comitato di Liberazione Nazionale nach dem 8. September

Autor: Milan Spindler

Bereits am 9. September 1943, einen Tag nach der Verkündung des Waffenstillstands, rief das CLN in Rom die Bevölkerung auf, für die Befreiung Italiens und für einen würdigen Platz in der Nachkriegsordnung zu kämpfen. Als zentrales politisches Organ der Resistenza wollte das CLN nicht nur militärische und politische Aktivitäten gegen die deutsche Besatzung und die faschistische RSI koordinieren, sondern sich auch als provisorische Regierung positionieren – mit Anspruch auf politische Gestaltung weit über die Befreiung hinaus.

Das CLN vereinte verschiedene politische Strömungen: Neben der Kommunistischen Partei (PCI) und der Sozialistischen Partei (PSI) gehörten auch die Democrazia Cristiana (DC), die Partito d’Azione (PdA) und die Liberale Partei (Partito Liberale Italiano, PLI) dazu. Die PdA, 1942 aus der Bewegung Giustizia e Libertà hervorgegangen, vertrat liberal-sozialistische und republikanische Prinzipien. Die PLI knüpfte an die liberale Tradition des nach-einheitlichen Italiens an und stand für demokratisch-liberale, monarchistische und marktwirtschaftlich orientierte Positionen. Die DC verstand sich als katholisch geprägte Zentrumspartei und trat sowohl dem Faschismus als auch dem Kommunismus entschieden entgegen.

Diese Gruppen arbeiteten trotz ideologischer Unterschiede eng zusammen. Innerhalb kurzer Zeit entstanden koordinierende Strukturen: ein Finanzkomitee, Zuständigkeiten für Presse, Propaganda und Versorgung, ein Exekutivkomitee sowie ein Militärkomitee. Parallel dazu bildeten sich regionale CLN-Verbände, die den Widerstand vor Ort organisierten und als politische Stimme der Partisaneneinheiten agierten.

Im Norden bildete sich mit dem Comitato di Liberazione Nazionale Alta Italia (CLNAI) ein weitgehend eigenständiges Gremium. Die dortigen Partisanen gliederten sich in politisch unterschiedlich geprägte Formationen, darunter die kommunistischen Garibaldi-Brigaden, die sozialistischen Matteotti-Brigaden und die bewaffneten Einheiten der PdA. Trotz politischer Differenzen und Rivalitäten gelang es dem CLN, sich als legitime und repräsentative Kraft des Widerstands zu etablieren. Ohne diese übergreifende politische Koordination hätte die Resistenza weder die gleiche Wirkung noch die spätere Anerkennung erreicht.

Die Mitglieder des CLN von Reggio Emilia nach der Befreiung im Frühjahr 1945 © Istoreco Reggio Emilia, Membri CLN Reggiano

Das CLN übernahm dabei eine doppelte Rolle: Einerseits als Gegenmodell zur von Deutschland kontrollierten RSI, andererseits als alternative politische Kraft zur Monarchie und der Regierung Badoglio im befreiten Süden. Während Mussolini mit deutscher Unterstützung eine „soziale Republik“ inszenierte, die sich sogar sozialrevolutionär gab, war das CLN in der Lage, die Legitimität der RSI innerhalb der Bevölkerung effektiv zu untergraben.

Auch in Süditalien trat das CLN in Opposition zur Regierung Badoglio und zur Monarchie, die es für die faschistische Vergangenheit mitverantwortlich machte. Zunächst lehnte das CLN jede Zusammenarbeit ab und forderte die Abschaffung der Monarchie. Mit der Zeit wich diese Forderung realpolitischen Überlegungen: Man erwog, König Viktor Emanuel III. durch seinen Sohn zu ersetzen und über die zukünftige Staatsform in einem Referendum entscheiden zu lassen.

Für die Alliierten blieb das CLN zunächst zweitrangig – sie betrachteten Badoglio und den König als ihre Ansprechpartner. Doch mit der Zeit wurde das CLN zur unverzichtbaren Schnittstelle zwischen Widerstand und alliierter Militärpolitik und gewann zunehmend politischen Einfluss.

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