Die letzten Kriegsmonate bis zur Befreiung im Mai 1945
Autor: Milan Spindler
Die Resistenza erholte sich nach dem Jahreswechsel 1944/45 trotz harter Wintermonate und erneuter Durchkämmungsaktionen. Neue Wehrdienstverweigerer schlossen sich an, die Moral stieg – nicht zuletzt durch den Propagandafunk der Alliierten, Radio Londra, und die wachsende Unterstützung aus der Bevölkerung. Zwischen Februar und April 1945 intensivierten die Alliierten ihre Waffenlieferungen; in diesen drei Monaten erreichte mehr Nachschub die Resistenza als in den gesamten fünfzehn Monaten zuvor.
Die Partisanenbewegung verfolgte mehrere strategische Ziele. Ihr zentraler Plan bestand darin, am 25. April in die Po-Ebene vorzurücken und dort einen großflächigen Aufstand in den Städten zu entfachen. Dieses Vorhaben war jedoch schwer umzusetzen: Ein zu frühes Vorgehen ohne alliierten Rückhalt oder ausreichende Vorbereitung hätte aussichtslose Gefechte gegen starke deutsche Verbände zur Folge gehabt. Zugleich wollten die Partisanen nicht erst nach den alliierten Truppen in die norditalienischen Städte einmarschieren.
Wo möglich, nutzten die Kämpfenden daher die Gelegenheit, Städte noch vor dem Eintreffen der Alliierten zu befreien – um ihre militärische Stärke zu zeigen und ihre politische Bedeutung zu unterstreichen. Auch die Gefangennahme möglichst vieler deutscher Soldaten hatte strategisches Gewicht.
Währenddessen konzentrierten sich die Alliierten auf den Schutz von Industrie- und Energieressourcen wie Wasserkraftwerken, um Zerstörungen zu verhindern, die die wirtschaftliche Stabilität und eine geordnete Nachkriegsordnung gefährdet hätten. Zugleich war ihnen an einer schnellen und kontrollierten Demobilisierung der Partisanen gelegen. Bereits im Dezember 1944 hatte man betont, dass diese rasch in die regulären Streitkräfte integriert oder entwaffnet werden müssten, um inneritalienische Konflikte zu vermeiden. Besonders die kommunistischen Partisaneneinheiten sollten unter Kontrolle der neuen Nachkriegsregierung gebracht werden. Ohne diese Demobilisierung erschien den Alliierten eine stabile Ordnung in Italien kaum möglich – auch im Hinblick auf die Eskalation in Griechenland.
Vor diesem Hintergrund begann am 4. und 5. April 1945 die letzte Offensive der Alliierten, unterstützt durch Partisanenaktionen in Ligurien, der Emilia-Romagna und im Piemont. Am 21. April beteiligten sich Partisaneneinheiten an der Befreiung Bolognas, zwei Tage später folgte Modena. Der 25. April 1945 markierte den Beginn eines landesweiten Aufstands, insbesondere in Genua, Mailand und Turin. Die Resistenza befreite Mailand noch am selben Tag, vor dem Eintreffen der Alliierten. Am 29. April fiel Piacenza, am 30. April Treviso, Belluno und Triest.
Benito Mussolini wurde am 28. April auf der Flucht von Partisanen gefasst und hingerichtet. Mit dem Inkrafttreten der Teilkapitulation der Wehrmacht in Italien am 2. Mai 1945 wurden die strategischen Ziele der Alliierten und der Resistenza bei vergleichsweise geringen Zerstörungen weitgehend erreicht.
Nach der Befreiung entluden sich in Norditalien Wut und Rache in Vergeltungsmaßnahmen gegen ehemalige Faschisten und mutmaßliche Kollaborateure. Zwischen 10.000 und 12.000 Angehörige der RSI, darunter Polizisten, Militärs und Verwaltungsbeamte, wurden von Partisanen erschossen. Frauen, die der Kollaboration verdächtigt wurden, ließ man öffentlich demütigen, etwa durch das Abscheren der Haare. Sondergerichte verhängten rund 500 Todesurteile, von denen etwa 90 vollstreckt wurden. Diese Abrechnungen schufen eine scharfe Trennlinie zwischen dem vom Partisanenkampf geprägten Norden und dem Süden, wo viele faschistische Funktionäre auch nach dem Frühjahr 1945 an der Macht blieben. Der bürgerkriegsähnliche Charakter der Jahre 1943 bis 1945 wurde in diesen letzten Wochen des Konflikts besonders deutlich.