Erinnerung zwischen Verdrängung und Überhöhung

Ein italienischer Partisan und zwei sowjetische Partisanen in der Gegend um Udine, unbekanntes Datum © Istituto Friulano per la Storia del Movimento di Liberazione, Foto_partigiano

Autor: Milan Spindler

Eine besondere Rolle in der Erinnerung an die Resistenza spielt die Associazione Nazionale Partigiani d’Italia (ANPI), der Nationalverband der italienischen Partisaninnen und Partisanen. Er setzt sich für die Bewahrung der Erinnerung an die Resistenza, den antifaschistischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung sowie die Verbrechen des Faschismus während des Zweiten Weltkriegs ein. Darüber hinaus fördert er demokratische Werte, politische Bildung und soziale Gerechtigkeit und nimmt eine zentrale Rolle in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der italienischen Zeitgeschichte und dem politischen wie kulturellen Erbe des Widerstands ein.

Doch die Erinnerung an diesen Widerstand ist auch Jahrzehnte nach dem Kriegsende nie zu einem einheitlichen Erbe geworden – nicht zuletzt aufgrund der tiefen politischen und geografischen Spaltungen des Landes. Die Erfahrungen im Süden und im Norden Italiens unterschieden sich beispielsweise erheblich. Der politische Diskurs über die Resistenza war zudem lange Zeit durch unterschiedliche Faktoren geprägt, unter anderem durch die Blockbildung während des Kalten Krieges. Insbesondere die politische Rolle des PCI wurde dabei immer wieder hinterfragt: Während die Partei in der Nachkriegszeit die patriotische Dimension des Widerstands betonte, blieb sie zugleich dem kommunistischen Internationalismus verpflichtet.

Rhetorische Überhöhungen überdeckten dabei oft die komplexen und umstrittenen Aspekte des Widerstands, darunter den Charakter des Bürgerkriegs und die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Widerstandsgruppen. Über Verbrechen wie das Massaker von Porzûs – bei dem kommunistische Partisanen Angehörige einer anderen Partisaneneinheit ermordeten – oder die Erschießung überwiegend faschistischer Funktionäre in den Foibe-Karstschluchten durch Titos Partisanen wurde im Umfeld der ANPI lange geschwiegen. Die politischen Debatten über diese Themen sind bis heute nicht abgeschlossen.

Zudem wurde die Rolle Italiens als Mitglied des Achsenbündnisses, als aggressive Kolonialmacht und Unterstützer der faschistischen Kriegsführung in Spanien über Jahrzehnte hinweg nur unzureichend thematisiert, während sich das öffentliche Erinnern stark auf die Jahre 1943 bis 1945 konzentrierte. Kritisiert wird auch die langjährige Vernachlässigung der Partisaninnen und Partisanen anderer Nationen – etwa sowjetischer Staatsangehöriger, die sich in Italien der deutschen Besatzung widersetzten. Ebenso blieb die Beteiligung von italienischen Jüdinnen und Juden sowie von Sinti und Roma lange Zeit ein wenig beachtetes Kapitel der Erinnerungsgeschichte. 

Trotz vielfältiger Bemühungen um eine differenzierte Auseinandersetzung bleibt das Thema Resistenza bis heute politisch und gesellschaftlich umstritten. Die Rolle der Alliierten, der militärische Beitrag des Widerstands zur Befreiung Italiens und die Auseinandersetzung mit den Gewaltakten während der Liberazione bilden weiterhin zentrale Diskussionsfelder – nicht nur für die Forschung, sondern auch für die italienische Gesellschaft insgesamt.

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