Der unbewaffnete Widerstand

Autor: Milan Spindler

Der Widerstand beschränkte sich nicht nur auf bewaffnete Aktionen. Viele Menschen trugen auf andere Weise dazu bei, die Kontrolle der deutschen und faschistischen Ordnung zu schwächen und die Ausbeutung des Landes zu behindern.

Streiks waren schon vor der deutschen Besetzung ein Mittel des Widerstands. Am 25. Juli 1943 fand in Reggio Emilia nach dem Sturz von Benito Mussolini eine Demonstration statt, die am nächsten Tag mit einem Streik in den Reggiane-Fabriken fortgesetzt wurde. Am 28. Juli wurden die Proteste von der italienischen Armee niedergeschlagen © Istoreco Reggio Emilia, 30 25 luglio 1943

Trotz der Gefahr, die von Streiks in der besetzten Region ausging, griffen Arbeiterinnen und Arbeiter weiterhin zu diesem Mittel, um sowohl gegen die sozialen und wirtschaftlichen Zustände als auch gegen die faschistische Herrschaft zu protestieren. Besonders prägend war der Generalstreik in Mailand und Turin vom 1. bis 8. März 1944, welcher größtenteils von der PCI vorbereitet wurde und an dem mindestens 350.000 Personen teilnahmen. Die Mobilisierungserfolge waren regional und nach Sektor sehr unterschiedlich, wurde in der kommunistischen Untergrundpresse aber als großer Erfolg herausgestellt und stellte die größte Streikaktion dar, welche im besetzten Europa stattgefunden hat. Der Streik richtete sich vornehmlich gegen sich immer weiter verschlechternden Lebensbedingungen im Zuge der Ausbeutung der norditalienischen Industrie zugunsten der deutschen Kriegswirtschaft, was sich auch in den Forderungen nach besseren Lebensmittelrationen und höheren Löhnen widerspiegelt. 

Mit ihrer dennoch eindeutigen Stoßrichtung gegen die deutsche Besatzung standen Märzstreiks standen symbolisch für den wachsenden Ungehorsam und eine gewisse Politisierung der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Großbetrieben. Diese Streiks verdeutlichten zudem die beanspruchte zentrale Rolle der PCI, die neben den militärischen Garibaldi-Brigaden auch die Arbeiterschaft mobilisieren konnte, wenn auch nicht in dem von ihr erhofften Umfang. Die Deutschen reagierten mit brutaler Härte: Mindestens 1200 Streikende wurden verhaftet, zur Zwangsarbeit deportiert oder in Konzentrationslager geschickt. Viele, die der Repression entkamen, schlossen sich den Partisanen an, was die Verbindung zwischen zivilem und militärischem Widerstand und zwischen den Industriestädten und den Bergregionen stärkte.

Eine weitere wichtige Form des unbewaffneten Widerstands war die alltägliche Unterstützung durch Teile der Bevölkerung – insbesondere bei der Beschaffung von Ausrüstung, Lebensmitteln und Informationen. Von der Wehrpflicht befreite und mobilere Berufsgruppen wie Geistliche oder Lehrkräfte sammelten und übermittelten Nachrichten über Truppenbewegungen der Wehrmacht, Standorte von Waffenlagern oder Schwachstellen in der Infrastruktur. Diese Informationen gelangten an das CLN und waren für die Planung von Sabotageakten und Angriffen der Partisanengruppen von hoher strategischer Bedeutung.

Kriegsdienstverweigerung war eine der sichtbarsten Formen des Widerstands gegen den Zugriff durch die RSI. Die Mehrheit der jungen Männer entzog sich der Einberufung, oft unter großen persönlichen Risiken. Die RSI reagierte mit Verhaftungen und Erpressung der Familien. Dennoch blieb die Zahl der Verweigerer und Deserteure hoch. Viele schlossen sich der Resistenza in den Bergen an.

Italienische Kriegsgefangene auf Kreta im Herbst 1943, kurz bevor sie in Lager auf dem Festland verlegt wurden © BArch Bild 101I-528-2353-04A / Fot. Zwilling

Eine besondere Form des Widerstands leisteten weiterhin die Italienischen Militärinternierten, die nach der Kapitulation Italiens im September 1943 von den Deutschen gefangen genommen wurden. Rund 600.000 Soldaten verweigerten in den Kriegsgefangenenlagern den Beitritt zur RSI und lehnten es ab, weiter für die Achsenmächte zu kämpfen. Diese Entscheidung hatte sowohl symbolische als auch praktische Auswirkungen, sie schwächte die militärischen und auch diplomatischen Ressourcen der RSI.

Streiks, Informationsweitergabe, Wehrdienstverweigerung und die Haltung der IMI zeigten den schwindenden Rückhalt der RSI in der Bevölkerung. Besonders die Arbeiterschaft wandte sich vom Regime ab. Gerade letzteres hatte die RSI zu verhindern versucht. In Abgrenzung zur Monarchie in Süditalien hatte es Versuche gegeben, die arbeitende Bevölkerung auch mit einer antibürgerlichen Rhetorik, die auch die Vergesellschaftung von Betrieben in den Raum stellte, auf die Seite der RSI zu ziehen. Dieser Versuch stellte sich mit den Streiks im Frühjahr 1944 und der Verweigerung zum Militärdienst als Illusion heraus.

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