Herbst und Winter 1944/45: Rückschläge, Repression und Neuorientierung

Autor: Milan Spindler

Ab Herbst 1944 geriet die Resistenza zunehmend unter Druck. Deutsche Angriffe und systematische Durchkämmungen unterbrachen die Nachschubwege, viele Einheiten litten unter Munitionsmangel und mangelhafter Ausrüstung. Die Zerstörung wichtiger Depots verschärfte die Lage. Starker Schneefall und extreme Kälte machten die Versorgungslage im Winter zusätzlich prekär – auch alliierte Abwürfe konnten den Mangel nicht kompensieren. Die Zivilbevölkerung und die Partisaninnen und Partisanen litten gleichermaßen unter Hunger. Zudem war die militärische Schlagkraft durch viele unerfahrene Neuzugänge eingeschränkt: Zahlreiche Deserteure und Wehrdienstverweigerer, die sich im Sommer angeschlossen hatten, waren kaum ausgebildet.

In dieser Phase verschärften sich auch interne Spannungen. Differenzen zwischen politisch unterschiedlich ausgerichteten Gruppen führten zu Schuldzuweisungen nach gescheiterten Operationen im Spätsommer. Unter dem Druck von Repression und Spitzeltätigkeit desertierten viele Kämpfende.

Im Oktober 1944 verkündete die RSI eine Amnestie für Männer, die sich dem Wehr- oder Arbeitsdienst entzogen hatten – verbunden mit dem Angebot, stattdessen Arbeiten für die Wehrmacht zu leisten. Denjenigen, die sich bereit erklärten, etwa Schützengräben oder Befestigungen an der Grünen Linie zu errichten, wurde Straffreiheit zugesichert. Ziel dieser Maßnahme war es, die Legitimität der RSI zu stärken, dringend benötigte Arbeitskräfte für die Verteidigung zu gewinnen und zugleich Deserteure aus der Resistenza zur Aufgabe zu bewegen. In einigen Regionen zeigte diese Strategie Wirkung: Angesichts der Übermacht des Gegners, prekärer Lebensbedingungen und der Aussicht auf Straffreiheit gaben viele Kämpfende zumindest vorübergehend auf.

8. November 1944, eine Gruppe von Partisanen in Vidiciatico in der Provinz Bologna im Emilianer Apennin. Der Kommandant Mario Ferrari, ehemaliger Offizier der Königlichen Armee, zeigt verschiedene Positionen auf einer Karte © US NARA, Signal Corps 340784 / Fot. Hartman

Am 10. November 1944 forderte das alliierte Oberkommando unter Generälen Harold Alexander und Mark W. Clark die Einstellung der Kampfhandlungen über den Winter. Ziel war es, weitere Verluste unter den Partisanen zu vermeiden. Für die Resistenza bedeutete dies jedoch den Verlust vieler Rückzugsräume. Das Comando Volontari della Libertà (CVL), der militärische Arm des CLN, versuchte, die Bewegung in das Flachland der Po-Ebene zu verlagern. Dort agierten kleinere Einheiten unter schwierigsten Bedingungen und intensivierten den Kampf gegen die RSI – insbesondere in den Städten.

Bis zum Jahresende waren zahlreiche Partisanengebiete durch deutsche und faschistische Angriffe zerschlagen worden. Die andauernden Repressalien belasteten das Verhältnis zur Zivilbevölkerung erheblich. Auch die Beschaffung lebensnotwendiger Güter – etwa durch Raub – führte zu Spannungen. Dennoch hielten solidarische Netzwerke, insbesondere bäuerliche Familien und Unterstützer:innen in den Städten, den Widerstand am Leben. Viele Kämpfende hatten sich zurückgezogen – in die Po-Ebene, auf bereits befreites Gebiet Süditaliens oder ins benachbarte Südostfrankreich.

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