Ohne Befehl, ohne Schutz: Der 8. September und der Beginn der Resistenza
Autor: Milan Spindler
Der 8. September 1943 markierte neben dem 25. Juli einen entscheidenden Moment in der Geschichte Italiens im Zweiten Weltkrieg. An diesem Tag verkündete General Dwight D. Eisenhower im Namen der Alliierten den Waffenstillstand mit Italien. Doch die Kommunikation zwischen der italienischen Regierung, dem Militär und der Bevölkerung war vor und nach der Ankündigung katastrophal. Es gab keine klaren Befehle oder Anweisungen, sodass dieser Moment – das völlige Zerbrechen aller vertrauten institutionellen Strukturen – für viele Menschen in Italien eine geteilte Erfahrung darstellte. Für einen Großteil der königlichen Soldaten und der Zivilbevölkerung bedeutete die Verkündung des Waffenstillstands für einen kurzen Moment das ersehnte Ende des Krieges. Diese Vorstellung wurde jedoch schnell von der Realität überholt, da die deutsche Wehrmacht sofort damit begann, Nord- und Mittelitalien zu besetzen.
Die unorganisierte Flucht der Regierung samt des Königs nach Süditalien untergrub die Autorität der Monarchie und des gesamten Staates. Ihr gegenüber stand das anhand des vorbereiteten Plans (genannt Fall Achse) gezielte Vorgehen der Wehrmacht. In den Tagen nach dem Waffenstillstand nahm die Wehrmacht hunderttausende unvorbereitete Soldaten gefangen, die keinerlei Befehle erhalten hatten. Auch die Offiziere waren aufgrund der Angst vor der vermeintlich unbesiegbaren Wehrmacht und der Abwesenheit der militärischen Führung unfähig handlungsweisende Entscheidungen zu treffen. Ebenso wurde auf eine Bewaffnung der Zivilbevölkerung aus den Kasernen heraus aus Angst vor revolutionären Kräften verzichtet. Gleichzeitig hegten viele Militärs die Hoffnung auf einen baldigen Sieg der Alliierten. Viele Soldaten wurden als Italienische Militärinternierte (IMI) nach Deutschland deportiert, während anderen die Flucht gelang – oft mit Hilfe der italienischen Frauen, die in einer ersten Widerstandshandlung das Untertauchen ermöglichten.
Viele Frauen unterstützten die flüchtenden Soldaten, indem sie ihnen halfen, ihre Militäruniformen gegen zivile Kleidung zu tauschen. Sie nähten in kürzester Zeit aus Decken und alten Hemden neue Kleidungsstücke und färbten die Schuhe der Soldaten, damit sie sich vor der drohenden Gefangennahme durch die Deutschen retten konnten. An Bahnhöfen und in Dörfern bekamen die Soldaten Adressen, wo sie ihre Uniformen ablegen und sich in Sicherheit bringen konnten. Diese Aktionen trugen dazu bei, dass viele Soldaten in den Bergen und abgelegenen Tälern Zuflucht fanden, wo sie sich in kleinen Gruppen sammelten, welche teilweise noch mit Waffen aus Armeebeständen ausgestattet waren
Die Besatzung, die vor allem auf militärische Kontrolle und die Sicherung von Städten und Knotenpunkten abzielte, sorgte dafür, dass viele Soldaten die unzugänglichen Täler und Berge der Apenninen oder der Alpen als Rückzugsorte wählten. Unter ihnen waren auch jene, die bereits Erfahrungen im Kampf an der Ostfront in der Sowjetunion gemacht hatten. Diese Veteranen, viele von ihnen Gebirgsjäger, hegten eine starke Abneigung gegen die Deutschen, da sie sich von der faschistischen Führung und ihren ehemaligen Verbündeten an der Ostfront und auf dem Rückzug verraten fühlten. Die verheerenden Verluste und die eigene Unterordnung unter deutsche Interessen hatten bei diesen Soldaten tiefe Enttäuschung über den Faschismus, den ehemaligen Verbündeten und den Krieg im Allgemeinen hinterlassen.
Einige dieser ehemaligen Soldaten formierten sich in den Bergen zu kleinen bewaffneten Gruppen. Sie bildeten, gemeinsam mit alliierten Kriegsgefangenen, die aus den zusammenbrechenden italienischen Kriegsgefangenenlagern flohen, und älteren Antifaschisten den Kern der ersten organisierten Widerstandsgruppen. Sie verstanden sich oft noch als militärische Einheiten und wollten zunächst unabhängig von den politischen Parteien operieren.
Ziel ihrer Anführer war es, eine reguläre Armee zu organisieren, die den nationalen Befreiungskampf auf ihrem eigenen Terrain führte. Die Führung dieser Gruppen übernahmen häufig ältere Offiziere der ehemaligen Königlichen Streitkräfte Italiens, die zwar über Erfahrung in der traditionellen Kriegsführung verfügten, jedoch kaum im Partisanenkampf. Die Anforderungen des Guerillakriegs – von der strikten Geheimhaltung über die Wichtigkeit von Flexibilität bis hin zur Vermeidung des offenen Kampfes mit dem überlegenen Feind – waren für viele ungewohnt und organisatorisch aufwändig.