Vom Kriegseintritt zur Krise: Italien zwischen Bündnistreue und innerem Zerfall (1940–1943)
Autor: Milan Spindler
Italien trat im Juni 1940 an der Seite des Deutschen Reiches in den Zweiten Weltkrieg ein. Doch bald zeigte sich, dass das Land militärisch und wirtschaftlich nicht auf einen Krieg dieses Ausmaßes vorbereitet war. Die Streitkräfte gerieten rasch in Schwierigkeiten und waren zunehmend auf deutsche Unterstützung angewiesen, um schwere Niederlagen zu vermeiden. Die militärische Schwäche führte zu einer wachsenden Abhängigkeit vom Bündnispartner, der immer stärker in strategische Entscheidungen eingriff.
Ein Wendepunkt war die Niederlage der ARMIR (Armata Italiana in Russia, deutsch: Italienische Armee in Russland) im Winter 1942/43. Der verlustreiche Rückzug von der Ostfront forderte tausende Todesopfer. Zehntausende Soldaten kamen ums Leben oder gerieten in Kriegsgefangenschaft. Die Überlebenden kehrten erschöpft und schwer gezeichnet in die Heimat zurück, wo sie isoliert wurden, um das Ausmaß der Katastrophe vor der italienischen Öffentlichkeit zu verbergen.
Auch in Nordafrika mussten sich die italienischen Truppen nach gemeinsamen Kämpfen mit der Wehrmacht den Alliierten geschlagen geben. Die Kapitulation der Achsenmächte am 13. Mai 1943 in Tunesien verschärfte Italiens militärische Krise und führte zu noch größerer Abhängigkeit von Deutschland.
Parallel dazu verschärfte sich die innenpolitische Lage. Die wirtschaftliche Situation war durch Lebensmittelknappheit, Inflation und eine umfassende Rationierung alltäglicher Güter geprägt, was die Unterstützung der Bevölkerung für das faschistische Regime sukzessive untergrub. Die alliierten Luftangriffe auf größere Städte und die Arbeitsbedingungen in den Rüstungsbetrieben verschärften die Unzufriedenheit zusätzlich. Spontane Arbeitsniederlegungen und politische Streiks im Frühjahr 1943, vor allem in den industriellen Zentren Norditaliens, zeigten deutlich, dass der gesellschaftliche Konsens für den Faschismus erodierte. Auch innerhalb der Eliten wuchs die Distanz zu Mussolini. Teile der Verwaltung, Diplomatie und Militärführung zweifelten an der Fortführung des Krieges. König Vittorio Emanuele III. fürchtete um den Fortbestand der Monarchie und sah im Sturz Mussolinis eine Möglichkeit zur Distanzierung. Der Sturz Benito Mussolinis bot ihm die Gelegenheit, sich vom Faschismus, den er zwei Jahrzehnte lang unterstützt hatte, zu distanzieren und so seine eigene Position zu sichern. Die als Operation Husky bezeichnete Landung der Alliierten auf Sizilien am 9. und 10. Juli 1943 beschleunigte diese Entwicklung. Die Bombardierung Roms am 19. Juli 1943 führte die Unterlegenheit gegenüber den alliierten Streitkräften auch den politischen Funktionsträgern in der Hauptstadt vor Augen. Am 25. Juli 1943 stimmte der faschistische Großrat für die Absetzung von Benito Mussolini, der daraufhin auf Befehl des Königs von den Carabinieri verhaftet wurde.
Die neue Regierung unter Marschall Pietro Badoglio setzte den Krieg zunächst fort. Dieser als „45 Tage“ bezeichnete Zeitraum war von widersprüchlichen Maßnahmen geprägt. Die Regierung drohte Kriegsdienstverweigerern mit harten Strafen und ging gegen Friedensdemonstrationen wie etwa in Reggio Emilia am 28. Juli 1943 mit Waffengewalt vor. Gleichzeitig nahm die Regierung Badoglio geheime Verhandlungen mit den Alliierten auf, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Während diese noch andauerten, verlegte das NS-Regime immer mehr Wehrmachtseinheiten nach Italien – offiziell zur gemeinsamen Verteidigung gegen die erwartete alliierte Invasion. Tatsächlich aber hatte Berlin die Loyalität seines Bündnispartners längst infrage gestellt und bereitete im Hintergrund die Besetzung der italienischen Halbinsel vor. Am 3. September 1943 landeten erste alliierte Truppen in Kalabrien, und am 8. September verkündete Badoglio schließlich den Waffenstillstand mit den Alliierten, in der Hoffnung, dass diese die Deutschen in Südeuropa schnell besiegen würden.