Ego-Dokumente

Sogenannte Ego-Dokumente sind wichtig, um die generationellen und sozialen Kontexte sowie die Mentalitäten der Soldaten zu rekonstruieren. Der Begriff stammt aus dem Niederländischen und wurde in den späten 1950er Jahren durch den Historiker Jacob Presser in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt. Er bezeichnet Dokumente, in denen historische Subjekte ihre Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung zum Ausdruck bringen.

Ego-Dokumente können verschiedene Formen haben, wie beispielsweise autobiografische Schriften, Tagebücher und Briefe sowie nicht-öffentliche Aussagen in Strafverfahren.

© Privatarchiv Carlo Gentile

Während der Jahre des Nationalsozialismus und insbesondere während des Zweiten Weltkriegs hatten viele Deutsche - Militärs und Zivilpersonen, Männer und Frauen - das Bedürfnis, ihre Erlebnisse und Erfahrungen in Tagebüchern, Briefen und Fotografien festzuhalten. Sie empfanden die Zeit, in der sie lebten, als außergewöhnlich und wollten deren Erinnerung und Protagonisten auf irgendeine Weise festhalten. Nach dem Krieg kam diesen Zeugnissen eine neue Bedeutung zu. Während einige ihrer Verfasser Tagebücher und Notizen nutzten, um ihre Handlungen während der NS-Zeit und des Krieges zu rechtfertigen, blieben andere Tagebücher privat, verschlossen in Schubladen zu Hause und in Archiven. Nur ein Bruchteil dieser Tagebücher ist veröffentlicht worden. 

Einige, wie die Victor Klemperers, Thomas Manns, Ernst Jüngers oder die anonyme Erzählung einer jungen Berlinerin beim Einmarsch der sowjetischen Truppen in die deutsche Hauptstadt, sind bekannt. Andere hingegen sind vergessen. Tagebücher in Privatbesitz bildeten die Grundlage für sogenannte "Familienromane", darunter Am Beispiel meines Bruders (Kiepenheuer & Witsch, 2003), den der Schriftsteller Uwe Timm auf der Grundlage von Aufzeichnungen und Briefen seines älteren Bruders, eines in Russland gefallenen jungen SS-Soldaten, schrieb. Der Schriftsteller Walter Kempowski veröffentlichte zwischen 1993 und 2005 die zehnbändige Anthologie Das Echolot (München, Knaus), in der er Auszüge aus Tagebüchern und Briefen aus seiner umfangreichen Sammlung autobiografischer Schriften in einer Collage zusammenstellte.

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