Capistrello
4 Juni 1944 , Capistrello (L'Aquila, Abruzzen)
Capistrello ist ein Ort in der Region Marsica im Liri-Tal, östlich von Rom. Zwischen Ende Mai und Anfang Juni durchquerten deutsche Truppen das Gebiet, während sie sich auf dem Rückzug Richtung Norden befanden. Die Deutschen befürchteten Überfälle der von den Alliierten unterstützten Partisanen. Ihre Anspannung entlud sich im strengen Umgang mit der italienischen Zivilbevölkerung vor Ort. Am 4. Juni stießen Soldaten bei einer Durchkämmungsaktion auf eine Gruppe von Zivilisten, vor allem Hirten. Sie sperrten sie auf dem Bahnhofsgelände ein und erschossen sie schließlich.
In der Nachkriegszeit wurde in Deutschland und Italien mehrfach zum Massaker ermittelt, die Verantwortlichen konnten dabei jedoch nicht identifiziert werden. Einige im Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation aufbewahrte Dokumente erlauben es jedoch, die Verantwortung der 3. Kompanie des Pionier-Bataillons 80 für die Tat festzustellen.
- Verantwortliche Einheit
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3. Kompanie des Pionier-Bataillons 80
- Täter
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Oberleutnant Herbert Boestel
- Opfer
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33
- Untersuchungen und Prozesse
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1944-1951: erste Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Avezzano im Zusammenhang mit dem sogenannten "Schrank der Schande”
1965-1967: deutsche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hof; schließlich Einstellung, weil die Verantwortlichen nicht ermittelt werden konnten
1994-2001: neue Ermittlungen der Militärstaatsanwaltschaft in Rom, Vorermittlungen der Zentralen Stelle in Ludwigsburg. Beide letztlich eingestellt.
- Streitkräfte
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Wehrmacht
Das Massaker
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Der Rückzug durch Mittelitalien
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Die angespannte Lage im Liri-Tal
Alle Zivilisten, die im Gebirge angetroffen werden, sind rücksichtslos ohne Durchsuchung oder Verhör zu erschießen, auch Frauen und Kinder.
Dieses Dokument wurde bei den Recherchen zu unserem Projekt gefunden. Es ist der einzige uns schriftlich überlieferte Befehl dieser Art an der italienischen Front. In der Regel wurden solche Befehle den Truppen mündlich erteilt oder, wenn sie schriftlich vorlagen, anschließend vernichtet. Dieser Befehl kam aber tatsächlich nicht zur Ausführung: Es wurden keine Frauen oder Kinder im Verlauf dieser Aktion getötet. Er zeigt jedoch das angespannte Klima, aus dem das Massaker am 4. Juni resultierte.
Bereits in den Tagen zuvor hatte die Angst vor einem Hinterhalt der Partisanen überhandgenommen. General Ortner vom Divisionskommando befahl daher:
Alle Italiener, die nicht freiwillig sofort die Umgebung der eigenen Stellung verlassen, sind rücksichtslos unter Feuer zu nehmen.
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Die Verantwortung für das Massaker
Ermittlungen und Prozesse
Die ersten Ermittlungen wurden 1951 durch das Gericht von Avezzano eingestellt, weil die Verantwortlichen nicht ermittelt werden konnten.
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Der Bericht von Juni 1944 und die ersten Ermittlungen in Italien
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Ermittlungen in Deutschland
Die Verantwortlichen für das Massaker konnten auch diesmal nicht identifiziert werden. Am 2. Februar 2001 ordnete das Militärgericht in Rom die Einstellung der Untersuchungen an.
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Die italienischen Ermittlungen in den 2000er Jahren
Erinnerung
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Denkmäler und die zivile Tapferkeitsmedaille in Gold
Quellen
Das bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hof Mitte der 1960er Jahre entstandene Material (2Js 196/67) kann bei der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg (518 AR 3188/66) eingesehen werden; das Material der italienischen Ermittlungen im Archiv des Militärgerichts in Rom.
Die im Rahmen des Projekts durchgeführten Nachforschungen in den militärischen Unterlagen, die in den Archiven der ehemaligen Sowjetunion gefunden wurden (https://germandocsinrussia.org), brachten ebenfalls neue Erkenntnisse über das Massaker von Capistrello. Zu diesen Dokumenten gehört das Kriegstagebuch des Pionier-Bataillons 80, der für die Morde in Capistrello verantwortlichen Einheit (CAMO/500/12483/23 und 24).
Auswahl der Bibliografie
Gloria Chianese, «Quando uscimmo dai rifugi». Il Mezzogiorno tra guerra e dopoguerra (1943-46), Roma, Carrocci, 2004, pp. 68-69.
Carlo Gentile, Wehrmacht und
Antonio Rosini, Giustizia negata: martiri di Capistrello, martirio di Piero Masci, Luco dei Marsi, Aleph editrice, 1998.
Gerhard Schreiber, Deutsche Kriegsverbrechen in Italien. Täter, Opfer, Strafverfolgung, München 1996, S. 164f.
Autor*innenschaft und Übersetzung
Autor: Carlo Gentile
Übersetzt aus dem Italienischen durch: Antonia Frinken
© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“
2023