Civitella, Cornia und San Pancrazio

Das Dorf Civitella in Val di Chiana liegt an einer Straße, umgeben von Bäumen. Im Hintergrund ist eine bewaldete, hügelige Landschaft zu erkennen.
Bei den Massakern von Civitella in Val di Chiana, Cornia und San Pancrazio starben mehr als 200 Menschen. © Udo Gümpel

29 Juni 1944 , Civitella in Val di Chiana, Cornia, San Pancrazio (Arezzo, Toskana)

In der Provinz Arezzo töteten deutsche Truppen, insbesondere die Panzer-Division "Hermann Göring", im Sommer 1944 unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung 774 Menschen, zumeist Zivilisten. Einige der blutigsten Episoden ereigneten sich am 29. Juni in Civitella, Cornia und San Pancrazio, zwischen dem Val di Chiana und dem Val d'Ambra, die fälschlicherweise als Partisanenstützpunkte angesehen wurden. 

Nach dem Krieg zog sich die juristische Aufklärung hin; erst im Jahr 2006 wurde einer der Täter verurteilt.

Verantwortliche Einheit

Feldgendarmerie-Trupp b 1000

Alarmkompanie Vesuv

Alarmkompanie Pauke

Musikkorps „Hermann Göring“

Täter

Hauptmann der Schutzpolizei Heinz Barz; Oberleutnant Siegfried Böttcher

Opfer

204: 98 in Civitella, 32 in Cornia, 16 in Gebbia und 58 in San Pancrazio (Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia)

Untersuchungen und Prozesse

Juni 1945: Ermittlung des SIB.

1948-1950: Verfahren des Militärgerichts Florenz gegen Wilhelm Schmalz, der später vom Militärgericht Rom freigesprochen wurde (12.07.1950).

Seit 1998: Neue Ermittlungen in Italien (La Spezia) und Deutschland (Dortmund und Stuttgart).

2006: Einstellung des Verfahrens in Stuttgart wegen des Todes des Angeklagten

2006: Prozess in La Spezia, Bestätigung des Urteils vor dem Berufungsgericht im Jahr 2007, Bestätigung des Kassationsgerichts im Jahr 2008.

15.05.2019: Einstellung des Verfahrens in Dortmund

Weitere Tatorte

Civitella in Val di Chiana
Cornia
San Pancrazio

Streitkräfte
Wehrmacht

Das Massaker

Es sind keine Originaldokumente erhalten. Daher ist nicht zu klären, ob die Aktion auf das LXXVI. Panzerkorps oder auf die Division “Hermann Göring” zurückgeht. Die Leitung des Einsatzes lag bei Hauptmann Heinz Barz, Chef der Feldgendarmerie-Trupps der Division.
Die Karte zeigt die Gegend von Florenz im Norden bis zum Lago Trasimeno im Süden. Die drei vom Massaker betroffenen Ortschaften sind eingekreist.
Auf der Karte des LXXVI. Panzerkorps von Ende Juni 1944 sind die mutmaßlichen Positionen von Partisanenformationen im Raum Civitella, Cornia und San Pancrazio eingezeichnet. Die Gegend galt als ”Bandengebiet”. © BArch, RH 24-76/13
Beim Nürnberger Prozess wurde Civitella in Val di Chiana in der Anklageschrift zusammen mit dem Massaker in den Fosse Ardeatine in Rom als Beispiel für die von deutschen Soldaten in Italien begangene Gewalt angeführt.

Ermittlungen und Prozesse

Im Rahmen historischer Forschungen waren die Namen möglicher Verantwortlicher aufgetaucht, andere waren erstmals identifiziert worden. Dazu gehörten Heinz Barz, Siegfried Böttcher und zahlreiche weitere Offiziere und Unteroffiziere der Panzer-Division "Hermann Göring".
Am 21. Oktober 2008 verurteilten die Richter der Ersten Strafkammer des Kassationsgerichtshofs die Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von Schadensersatz an neun Angehörige der Opfer des Massakers [...] Deutschland legte vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag Berufung ein. Der Berufung wurde stattgegeben und das Gericht bestätigte die völkerrechtlich garantierte Immunität souveräner Staaten gegenüber Klagen nationaler Gerichte.

Erinnerung

Quellen

Das Massaker von Civitella wird in den deutschen Militärakten kaum erwähnt. Das einzige Dokument in den militärischen Unterlagen, das sich eindeutig auf dieses Ereignis zurückführen lässt, ist eine Bandenlagekarte der Ic-Abteilung des LXXVI. Panzerkorps vom 30. Juni 1944. Um das Gebiet von Civitella, Cornia und San Pancrazio wurde dort ein großer Kreis gezeichnet, die Kennzeichnung „Bandengebiet“ und der Hinweis auf eine „G[egen]M[aßnahme]“ am 29. Juni 1944 eingefügt: BArch, RH 24-76/13, Gen.Kdo. LXXVI. Pz.K., Ic-Bandenlagekarte vom 30. Juni 1944. Der Verweis auf die Operation „Seidenraupe“, der zwischen dem 22. Juni und dem 8. Juli 1944 391 Menschen zum Opfer fielen, befindet sich in BArch, RH 19 X/107 K. Die Daten über die Verluste, die die deutschen Abteilungen in Civitella und Umgebung vor dem Massaker erlitten haben, werden in der Bundesarchivabteilung PA in Berlin aufbewahrt.

In den National Archives in London werden die Dokumente der alliierten Untersuchung verwahrt: WO 204/11479, Atrocities committed by German Troops at Civitella, Cornia and San Pancrazio und WO 310/220. Die Materialien des Prozesses gegen General Wilhelm Schmalz aus den Jahren 1948-1950 werden teilweise im Archiv der Militärstaatsanwaltschaft in Rom aufbewahrt, ebenso wie die Materialien der jüngsten Ermittlungen und Verfahren. Die zwischen 1956 und 1958 durchgeführten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf werden im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (NRW) aufbewahrt: NW 377, Nr. 3786. Die Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Dortmund (45 Js 1/04) befinden sich in deren Archiv.

Auswahl aus der Bibliografie

Ida Balò-Valli, Giugno 1944. Civitella racconta, Cortona, L'Etruria, 1994.

Giovanni Contini, La memoria divisa, Milano, Rizzoli, 1997.

Carlo Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943-1945, Paderborn, Ferdinand Schöningh, 2012, S. 320-326.

Carlo Gentile, Le stragi del 1944 in provincia di Arezzo ed i loro perpetratori (Relazione presentata in preparazione della richiesta di apertura di indagini da parte dei comuni di Bucine, Cavriglia, Civitella in Val di Chiana e Stia), Colonia, 1998, consultabile qui: https://uni-koeln.academia.edu/CarloGentile 

Christiane Kohl, Villa Paradiso. Als der Krieg in die Toskana kam, München, Goldmann, 2002.

Autor*innenschaft und Übersetzung

Autor: Carlo Gentile

Übersetzt aus dem Italienischen durch: Giulia Gostoli

© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“

2023

Text: CC BY NC SA 4.

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