Caiazzo

13 Oktober 1943 , San Giovanni e Paolo, Ortsteil der Gemeinde Caiazzo (Provinz Caserta, Kampanien)
Während eines Angriffs der amerikanischen Truppen am Abend des 13. Oktober 1943 glaubte Leutnant Wolfgang Lehnigk-Emden, Offizier der 3. Panzer-Grenadier-Division, von einem Gehöft her Leuchtsignale zu erkennen. Zusammen mit zwei Feldwebeln begab er sich dorthin. Er ließ vier Männer und einen 14-jährigen Jungen festnehmen und zum Gefechtsstand der Kompanie bringen. Zwei Frauen folgten der Gruppe. Nach der Ankunft wurden alle erschossen.
Kurz darauf kehrte Lehnigk-Emden mit den beiden Feldwebeln zum Bauernhaus zurück. Sie warfen Handgranaten in das Gebäude und schossen auf die Überlebenden. Dabei wurden sechs Frauen sowie neun Kinder und Jugendliche getötet. Noch im Laufe der Nacht verließen die deutschen Truppen die Gegend und setzten sich nach Norden ab.
Am darauffolgenden Tag drangen die amerikanischen Truppen nach Caiazzo vor und entdeckten das Blutbad.
- Verantwortliche Einheit
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Grenadier-Regiment 29 (mot.)
- Kommando
- Täter
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Leutnant Wolfgang Lehnigk-Emden
- Opfer
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22
- Untersuchungen und Prozesse
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1943: Erste Meldungen über das Massaker durch den Psychological Warfare Branch und erste amerikanische Untersuchungen.
1969-1970: Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München enden mit der Einstellung des Verfahrens.
Januar 1994: Urteil des Landgerichts Koblenz, Wolfgang Lehnigk-Emden wird für schuldig befunden, die Strafe wird jedoch ausgesetzt, weil die Tat nach deutschem Recht verjährt ist.
Oktober 1994: das Schwurgericht von Santa Maria Capua Vetere verurteilt Wolfgang Lehnigk-Emden und Kurt Schuster in Abwesenheit zu lebenslanger Haft.
- Streitkräfte
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Wehrmacht

Das Massaker
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Der von Gewalttaten geprägte deutsche Rückzug im Herbst 1943
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Die Kämpfe zwischen deutschen und amerikanischen Einheiten am Fluss Volturno
Die amerikanischen Truppen verhörten die Soldaten, die in das Massaker involviert waren. Dabei zeigten sich die Spannungen innerhalb der deutschen Einheit, die das Verhalten der einzelnen Soldaten bestimmten. Der Soldat Wilhelm May, ein direkter Augenzeuge, gab eine detaillierte Erklärung zum Verlauf des Massakers ab.
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Das Grenadier-Regiment 29 (mot.) der 3. Panzergrenadier-Division
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Das Massaker in den Bauernhäusern von Caiazzo
Die Nachricht von den Morden und der Verantwortung von Leutnant Wolfgang Lehnigk-Emden verbreitete sich in den Tagen nach dem Massaker unter den amerikanischen Soldaten. Der Kriegsberichterstatter William H. Stoneman, der die Truppen nach Caiazzo begleitete, interessierte sich als einer der Ersten für den Vorfall und veröffentlichte am 18. Oktober 1943 einen Artikel in der Chicago Daily News.
Ermittlungen und Prozesse
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Die Verhöre der Abteilung für psychologische Kriegführung und die ersten amerikanischen Ermittlungen
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Zeitgenössische Zeitungsartikel
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Stockende Ermittlungen während des Kalten Krieges
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Ermittlungen der deutschen Staatsanwaltschaften in den 1970er Jahren
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Wiederaufnahme der Untersuchung Ende der 1980er Jahren
Da die Mechanismen zur Verjährung von Straftaten im Kontext des Nationalsozialismus recht kompliziert waren, gab das Gericht in Koblenz Gutachten bei drei Historikern in Auftrag.
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Historische Gutachten zum Fall Lehnigk-Emden

Die Erschießung der Frauen und Kinder wurde durch das Gericht in Koblenz als Mord eingestuft, der jedoch seit 1968 als verjährt galt.
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Das Urteil von 1994
Erinnerung
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Die Erinnerung an das Massaker
Quellen
Die alliierten Untersuchungen samt der Mitschriften der Verhöre der deutschen Soldaten sind in Washington einsehbar (US NARA, Record Group 153: Records of the Office of the Judge Advocate General, War Crimes Branch, Entry 143, Box 544-545; US NARA, Record Group 407: Records of the Adjutant General’s Office, 105- 2.13, Fifth Army, G-2 Reports, Interrogation Reports 1943-1945, Box: 2216) sowie in London (The National Archives, Kew, WO 204 War Office: Allied Forces, Mediterranean Theatre: Military Headquarters Papers, WO 204/2235B, Massacre at Caiazzo, Italy).
Die Unterlagen der Recherchen des Lokalhistorikers Giuseppe Capobianco befinden sich im Staatsarchiv Caserta (fondo Capobianco, busta 286, fascicolo 2616, Il Massacro di Caiazzo. Appunti manoscritti). Die Untersuchungen der deutschen Staatsanwaltschaft zu Caiazzo werden hingegen in Koblenz aufbewahrt (Landeshauptarchiv Koblenz, 101 Js 35779/90 NSG jug) sowie bei der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg (Aktenzeichen: V 302 AR 284/92).
Im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg finden sich nur wenige Dokumente, im Wesentlichen Berichte über Kampfhandlungen sowie Befehle des Divisionsstabs: BArch, RH 26-3/12: Anlagen zum Kriegstagebuch Nr. 4 der 3. Panzer-Grenadier-Division; RH 26-3/13K, mit Kartenmaterial zu den Kämpfen um Caiazzo.
Auswahl der Bibliografie
Hans Bader, Caiazzo, in: Betrifft JUSTIZ, 43/1995, Michelstadt, Neuthor, S. 121-125.
Giovanni Cerchia, La Seconda guerra mondiale nel Mezzogiorno. Resistenze, stragi e memoria, Mailand, Luni editrice, 2019, S. 493-503.
Kerstin Freudiger, Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, Tübingen, Mohr Siebeck, 2002, S. 130-138.
Lutz Klinkhammer, Stragi naziste in Italia. La guerra contro i civili (1943-1944), 2. erweiterte Auflage, Rom, Donzelli, 2006, S. 43-53.
Gerhard Schreiber, Deutsche Kriegsverbrecher in Italien. Täter, Opfer, Strafverfolgung, München, C.H. Beck, 1996, S. 93, 138, 141-145, 148f.
Autor*innenschaft und Übersetzung
Autor: Carlo Gentile
Übersetzt aus dem Italienischen durch: Antonia Frinken
© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“
2023