Valla und Bardine di San Terenzo

In der Mitte dieses Farbfotos ist das Dorf Bardine di San Terenzo zu sehen, das in den Hang eines Hügels gebaut ist und aus hellen Häusern mit roten Ziegeldächern besteht. Im Hintergrund sind höhere, teils schneebedeckte Berge zu erkennen.
Bardine di San Terenzo, Teil der Gemeinde Fivizzano. © Udo Gümpel

19 August 1944 , Bardine di San Terenzo, Ortsteil der Gemeinde Fivizzano (Massa-Carrara, Toskana)

Nach einem Partisanenangriff bei Bardine ordnete SS-Gruppenführer Max Simon eine brutale Vergeltungsaktion an. Daraufhin wurden am Ort des Angriffs 53 männliche Geiseln erschossen. Später am Tag versammelten deutsche Soldaten etwa hundert flüchtende Zivilpersonen, vor allem Frauen und Kinder, auf einem Bauernhof namens Valla und töteten sie.

Verantwortliche Einheit

1., 2., 3. Kompanie der SS-Panzer-Abteilung 16 (Verluste vom 17. August); gesamte SS-Panzer-Aufklärungs-Abteilung 16, Feldgendarmerie-Kompanie 16;

Täter

Max Simon, Helmut Looß, Walter Reder, Josef Meier, Gerhard Franz Walter, Albert Fischer und deren Männer, darunter die Angeklagten im Prozess von La Spezia.

Opfer

159

Untersuchungen und Prozesse

1947: Verfahren vor dem britischen Militärgericht in Padua gegen Max Simon wegen der Massaker seiner Division. Das Todesurteil wurde in lebenslange Haft umgewandelt, 1948 auf 21 Jahre herabgesetzt. 1954 wurde er schließlich freigelassen.

1951: Verfahren des Militärgerichts Bologna gegen Walter Reder, 1954 in Berufung bestätigt. 1980 bewilligte das Militärgericht in Bari die Freilassung auf Bewährung; 1985 wurde Reder entlassen und kehrte nach Österreich zurück.

2003-2008: Verfahren der Militärstaatsanwaltschaft La Spezia

2008-2009: Prozess vor dem Militärgericht von La Spezia, dann vor dem Militärgericht von Rom. Im Juni 2009 werden lebenslange Haftstrafen verhängt.

Streitkräfte
Waffen-SS

Das Massaker

Was in der Ortschaft genau passiert ist, weiß ich nicht. Ich habe nur gehört, dass man die eingesetzten Soldaten eine gewisse Zeit hat warten lassen, damit man, so hatte man angegeben, das Vieh zusammentreiben konnte. Dann machte das Gerücht die Runde, dass man die Zeit dazu genutzt habe, dass die Italiener die Partisanen zusammenrufen.

Aussage von Werner Z., Untersuchung der Militärstaatsanwaltschaft La Spezia, 2007

Der Angriff der Partisanen bei der Brücke von Bardine war wahrscheinlich der schwerste, den die SS-Division in Italien erlitt. Der Divisionsstab reagierte mit harten Vergeltungsmaßnahmen.
Das Massaker von Valla wurde verschwiegen, um Nachfragen seitens des Wehrmachtskommandos zu vermeiden.

Ermittlungen und Prozesse

Erinnerung

Quellen

Die wichtigste deutsche Quelle zur Rekonstruktion des Geschehens sind die Tagesmeldungen der Abteilungen Ia und Ic der 16. SS-Panzer-Grenadier-Division "Reichsführer-SS" in den Unterlagen des XIV. Panzerkorps, die in Moskau im Kriegstrophäenbestand des ehemaligen Zentralarchivs des Verteidigungsministeriums der Sowjetunion aufbewahrt werden und online verfügbar sind: (Bestand 500, Findbuch 12475, Akten 30-31 https://wwii.germandocsinrussia.org/de/nodes/9329-findbuch-12475-panzerkorps). Anhand dieser Dokumente lassen sich der Partisanenangriff bei Bardine und die durchgeführten Vergeltungsmaßnahmen in groben Zügen rekonstruieren. In diesen Dokumenten fehlt jedoch jeglicher Hinweis auf das Massaker von Valla, das die SS-Division den höheren Kommandos nicht gemeldet hat. Wesentliche Daten finden sich auch in den  Dokumenten der 14. Armee (BArch, RH 20-14) und der OKH (BArch RH 2) im Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg.

Die Opfer des Partisanenangriffs einschließlich der Berichte über die erlittenen Verwundungen sind in den Verlustmeldungen bei der ehemaligen Deutschen Dienststelle (WASt) in Berlin verzeichnet, die seit Januar 2019 Teil des Netzwerks der deutschen Bundesarchive ist (Abteilung PA, Personenbezogene Auskünfte, Bestand B 563). 

Die Unterlagen zu Valla und Bardine, die im Rahmen der britischen Ermittlungen erstellt wurden, befinden sich in London, in den National Archives in Kew (WO 204/11471, WO 204/11494, WO 310/201, WO 310/121), wo sich auch die Dokumente des 1947 in Padua von einem britischen Militärtribunal gegen SS-General Max Simon geführten Prozesses (WO 235/584-588) befinden.

Alle Materialien im Zusammenhang mit den Ermittlungen und dem Prozess der italienischen Militärjustiz werden im Archiv der Generalstaatsanwaltschaft in Rom aufbewahrt. Die Aussagen der ehemaligen SS-Soldaten während der Ermittlungen der Militärstaatsanwaltschaft von La Spezia enthalten verschiedene Hinweise auf den Partisanenüberfall. Zu den veröffentlichten Ego-Dokumenten gehört auch Günther Wicks kleiner Band "Wir hielten immer zusammen", Bremen, Am Wall, 2019.

Auswahl der Bibliografie

Gianluca Fulvetti, Uccidere i civili. Le stragi naziste in Toscana (1943-1945), Rom, Carocci, 2009, S. 214-218. 

Claudio Manfroni, La iena, l’oste e la bambina. Memorie della strage di Valla, in (Hrsg.) Pietro Clemente u. Fabio Dei, Poetiche e politiche del ricordo. Memoria pubblica delle stragi nazifasciste in Toscana, Rom, Carocci, 2005. 

Paolo Pezzino, Crimini di guerra nel settore occidentale della Linea Gotica, in (Hrsg.) Gianluca Fulvetti, Francesca Pelini, La politica del massacro. Per un atlante delle stragi naziste in Toscana, Neapel, l’ancora del Mediterraneo, 2006, S. 17-27.

Autor*innenschaft und Übersetzung

Autor: Carlo Gentile

Übersetzt aus dem Italienischen durch: Giulia Gostoli

© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“

2023

Text: CC BY NC SA 4.0

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