Briefe von Edgar B.

Edgar Robert B., geboren 1921, verbrachte seine Jugend in einer ländlichen Kleinstadt zwischen Koblenz und Mainz. Seine Konfession wird mit "gottgläubig" angegeben, ein Begriff, der die für viele Anhänger des Nationalsozialismus typische Abkehr vom Christentum ausdrückt. Im Herbst 1940 verließ er aufgrund seiner Einberufung die Schule und trat in ein Infanterie-Regiment ein. Im Sommer 1941 nahm er an den Kämpfen an der Ostfront teil, wo er Ende Juli verwundet wurde. Als Offiziersanwärter ausgewählt, wurde er im Februar 1942 zum Oberleutnant ernannt und erneut an die Front geschickt, wo er im Juli 1943 ein zweites Mal verwundet wurde. Als Kompaniechef kam er nach Italien und kämpfte an der Westalpenfront, wo er am 18. April 1945 fiel.

B.s Briefe werden im Kempowski-Biographienarchiv an der Akademie der Künste in Berlin aufbewahrt, wo sie Teil der umfangreichen Sammlung von Ego-Dokumenten sind, aus denen der Schriftsteller Walter Kempowski zwischen 1993 und 2005 sein Werk Das Echolot (München, Knaus) zusammengestellt hat.

In seinen Briefen an seine junge Frau Liselotte drückt Edgar nicht nur seine Zuneigung und seine Besorgnis ihr gegenüber aus, da sie ein Kind erwartet. Er teilt außerdem die Grundsätze seiner Weltanschauung mit, die sich an den moralischen Vorstellungen des Nationalsozialismus orientiert: "Wir dürfen unsere Kinder beispielsweise nicht mehr lehren, "Du sollst nicht töten" - eines unserer ersten Gebote wird lauten: "Du sollst nicht töten all das was Dir heilig ist" und heilig ist uns unser Vaterland, sind uns unsere Frauen und Kinder, unsere Ehre und all das, was einen ethischen Wert hat". Darin findet Heinrich Himmlers Rede in Posen vom 4. Oktober 1943 Widerhall: "Ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Angehörigen unseres eigenen Blutes zu sein und zu sonst niemandem". 

Die Moral des Nationalsozialismus bezog sich einzig auf die eigene “Volksgemeinschaft” und galt nur im Umgang mit Mitgliedern derselben. Damit stand sie in starkem Gegensatz zur universellen christlichen Nächstenliebe, wie der Historiker Raphael Gross schreibt (Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral, Frankfurt a.M., S. Fischer, 2010).

In seiner Erzählung von der Verbrennung eines Dorfes in Norditalien während einer Aktion rechtfertigt Edgar diese mit der Notwendigkeit harten Verhaltens, wie viele deutsche Soldaten in dieser Situation: "Manche unschöne Bilder mußte ich noch sehen, aber da darf man keine innere Weichheit kennen, da gilt nur die eine Parole: "Aug' um Auge, Zahn um Zahn." Dieser Krieg mit den Banden ist nicht mehr mit einem offenen Kampf mit einem fairen Gegner zu vergleichen, und erfordert alle Härte."

Der letzte Brief stammt aus der Nachkriegszeit. Ein Kriegskamerad Edgars schreibt an Liselotte, um ihr die letzten Tage ihres Mannes zu schildern. Dieser wurde von betrunkenen Kommandanten auf eine aussichtslose Mission geschickt und fiel, weil er von seinem Vorgesetzten keine Hilfe erhielt.

Auf Grundlage der Übersetzungen von Carlo Gentile hat das Theaterkollektiv ArchivioZeta Podcasts zu einigen Ego-Dokumenten in italienischer Sprache produziert. Sie finden sie jeweils auf den italienischen Seiten zu den einzelnen Dokumenten. 

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