Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von Walter Reder, die ihn von Kopf bis zur Brust zeigt. Er schaut direkt in die Kamera und trägt seine SS-Uniform, aber keine Mütze.
Walter Reder, Kommandeur der 16. SS-Panzer-Aufklärungsabteilung: Seine Männer waren für zahlreiche Massaker verantwortlich, darunter jene in Bardine, Vinca und Monte Sole. © BArch, R 9361-III/159357

Walter Reder

* " 4 Februar 1915" – Freiwaldau, Sudetenland (heute Jeseník, Tschechische Republik)
† "26 April 1991" – Wien

Walter Reder ist in Italien einer der bekanntesten SS-Kriegsverbrecher. Als Kommandeur der Aufklärungs-Abteilung der Division "Reichsführer-SS" führte er im Sommer und Herbst 1944 mehrere Aktionen zur "Bandenbekämpfung" an. Dabei töteten seine Soldaten Hunderte Zivilisten: in Bardine di San Terenzo, in Valla und Vinca sowie schließlich am Monte Sole.

Ein Militärgericht in Bologna verurteilte ihn am 31. Oktober 1951 nach einem aufsehenerregenden Prozess wegen seiner Verbrechen in Italien zu lebenslanger Haft. 1985 freigelassen, wurde er bei seiner Rückkehr nach Österreich von Außenminister Frischenschlager mit Handschlag begrüßt. Diese Geste löste eine Krise in der österreichischen Regierung aus. Während Reder in Italien als Symbol für die Grausamkeiten der deutschen Besatzung galt, fand er in Österreich und Deutschland viele Unterstützer, die ihn zum Opfer des Kommunismus und "letzten Kriegsgefangenen in Italien" verklärten.

Nationalität
östereichisch
Formation
Hitlerjugend
SS-Totenkopf-Verbände im KL Dachau
Eintritt in die NSDAP
1935
Streitkraft
Waffen-SS
Einheit
SS-Totenkopf-Division
16. SS-Panzer-Grenadier-Division "Reichsführer-SS"
Dienstjahre
1934 – 1945
SS-Sturmbannführer
Feldzüge und Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg
"Anschluss" Österreichs
Besatzung der Tschechoslowakei
Überfall auf Polen
Westfront (Frankreich)
Überfall auf die Sowjetunion
Ostfront
Besetzung Italiens (1944-1945)
Bestätigte Massaker

Bardine San Terenzo
Valla
Vinca
Bergiola Foscalina
Monte Sole

Nachkriegszeit

Verhaftung in Österreich (1945), Auslieferung an Italien (1948), Prozess vor dem Militärgericht in Bologna (1951), lebenslange Haftstrafe und Haft im Militärgefängnis Gaeta (1951-1985). Entlassung 1985.

Kriegserfahrung

Nach der Amputation des Unterarms wollte Reder, wie viele Soldaten mit  intensiver Kriegserfahrung, an der Front bleiben. Er stellte sich Max Simon, der die Führung der 16. SS-Panzer-Grenadier-Division "Reichsführer-SS" übernommen hatte, zur Verfügung und bat um eine Führungsposition.
Die Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt zwei Soldaten mit Helmen von hinten. Vor ihnen steht Walter Reder, der ihnen zu ihrer Auszeichnung gratuliert. Er trägt ebenfalls einen Helm und seine SS-Uniform. An seinem linken Kragenspiegel ist das Abzeichen der SS-Totenkopf-Division zu erkennen.
Sportplatz in Oradea (Rumänien), 20. April 1944. Walter Reder, Kommandeur der Aufklärungsabteilung der 16. SS-Division ”Reichsführer SS”, gratuliert den Soldaten, die soeben vom Divisionskommandeur ausgezeichnet worden sind. Reder trägt das Abzeichen der Division Totenkopf auf seiner Uniform. © Privatarchiv Nils Olger, Wien

Beteiligung an Massakern an Zivilisten

Die Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt Reder mit einigen seiner Soldaten in einem begrünten Innenhof sitzend. Die Männer sitzen um einen Tisch herum, einige von ihnen tragen Auszeichnungen, die Reder ihnen soeben verliehen hat. Reder selbst sitzt im Zentrum des Bildes. Die Ärmel seines Hemds sind hochgekrempelt, sodass der Stumpf seines linken Arms zu sehen ist. Auf dem Tisch steht eine angebrochene Flasche Wein.
Im Juli 1944 sitzt Walter Reder während einer Kampfpause um Castellina Marittima in der Maremma Pisana inmitten einiger Soldaten, die er zuvor ausgezeichnet hat, auf dem Hofe eines Bauernhauses. © Privatarchiv Nils Olger, Wien

Die Nachkriegszeit

Für die italienische Öffentlichkeit war Reder das Symbol der deutschen Besatzung und ihrer Kriegsverbrechen. Ganz anders jedoch die Einschätzung in der Bundesrepublik und in Österreich: Walter Reder wurde als Märtyrer, als "Sündenbock in der Festung Gaeta", als "lebendig begraben", als "Geisel der italienischen Kommunisten" angesehen.
Am 24. Januar 1985 wurde Reder nach langen Regierungsverhandlungen freigelassen und nach Österreich überstellt. Am Flughafen empfing ihn der damalige österreichische Verteidigungsminister Frischenschlager mit Handschlag. Diese Geste löste eine Krise innerhalb der österreichischen Regierungskoalition von SPÖ und FPÖ aus.

Quellen

Die Hauptquellen für die Rekonstruktion der militärischen Laufbahn und der Biographie Walter Reders bis 1945 sind die im Bundesarchiv in Berlin aufbewahrten SS-Personalakten.

(R 9361-III/159357, R 9361-III/549431). Die italienische Gerichtsakten befinden sich im Archiv des Militärgerichts in Rom. Alle wichtigen Ereignisse im Zusammenhang mit Reders Prozess und Haft sowie Entlassung und Rückkehr bis zu seinem Tod wurden von nationalen und internationalen Presseorganen ausführlich behandelt. Während seine Biografie bis 1945 insgesamt ausreichend beleuchtet erscheint, fehlt eine genaue Rekonstruktion seiner langen Haftzeit noch weitgehend, ebenso die Untersuchung der langwierigen Verhandlungen über seine Entlassung aus der Haft zwischen Österreich, Italien, Deutschland und dem Vatikan.

Auswahl der Bibliografie

Felix Bohr, Die Kriegsverbrecher-Lobby. Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter, Berlin, Suhrkamp, 2018.

Carlo Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943-1945, Paderborn, 2012, Schöningh, S. 220-243, 247-285, 290-295, 302-304, 328, 412.

Christian Ortner, Am Beispiel Walter Reder. Die SS-Verbrechen in Marzabotto und ihre

„Bewältigung“, Wien, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, [s.d., ma 1985].

Christian Reder, Deformierte Bürgerlichkeit, Wien/Berlin, Mandelbaum Verlag, 2016, S. 278-290.

Joachim Staron, Fosse Ardeatine und Marzabotto. Deutsche Kriegsverbrechen und Resistenza. Geschichte und nationale Mythenbildung in Deutschland und Italien (1944-1999), Padeborn u.a., Schöningh, 2002.

Barbara Tóth, Der Handschlag. Die Affäre Frischenschlager-Reder, mit einem Nachwort von Friedhelm Frischenschlager, Innsbruck, Studien-Verlag, 2017.

Autor*innenschaft und Übersetzung

Autor: Carlo Gentile

Übersetzt aus dem Italienischen durch: Giulia Gostoli

© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“

2023

Text: CC BY NC SA 4.0

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