Tagebuch von Dr. Heinrich Voigtel

Dr. Heinrich Voigtel wurde 1916 als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren. Er erhielt zunächst eine liberale Erziehung, inspiriert von Friedrich Naumann und Gustav Stresemann, wurde aber auch national-liberale Ideen und eine christlich-sozialdemokratische politische Haltung herangeführt. Aufgrund einer Augenkrankheit wurde der Autor nicht zum aktiven Militärdienst einberufen. Er immatrikulierte sich an der juristischen Fakultät in Jena und trat dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund bei. Kurz darauf wechselte er seinen Wohnsitz und die Universität und verließ die Studentenvereinigung. Von 1936 bis 1939 studierte er Kunstgeschichte und Geschichte in Halle und Göttingen. 

Im Dezember 1939 wurde er einberufen und nahm am Frankreichfeldzug teil. Im Winter 1940/41 wurde er aus Studiengründen entlassen und legte in Göttingen das Staatsexamen ab. Zwischen 1941 und 1943 beteiligte er sich am Russlandfeldzug (Mittlerer Frontabschnitt) eingesetzt. Im Frühjahr 1943 erkrankte er an Typhus, wurde in verschiedenen Lazaretten behandelt und hielt sich anschließend zur Erholung in Königsberg auf. Im Januar 1944 wurde er für etwa ein Jahr als Artilleriebeobachter nach Italien versetzt. 

Voigtel begann das Tagebuch im April 1944 im hinteren Teil der Cassino-Front, die dann folgenden Einträge beschreiben Kampfhandlungen zwischen Bologna und Ferrara. 1945 wurde er nach Tschechien verlegt, wo er blieb, bis zur Kapitulation. Er floh vor der Roten Armee nach Süddeutschland, wo er sich den amerikanischen Truppen ergab. Aus der Gefangenschaft entlassen, arbeitete er von 1946 bis 1948 als Lehrer am Vorstudienanstalt in Halle an der Saale, ab 1952 dann an verschiedenen Schulen in der Bundesrepublik, unter anderem am Hannah-Arendt-Gymnasium in Barsinghausen.

Eine Kopie des Tagebuchs befindet sich im Bundesarchiv-Militärarchiv (MSg 2/13328). 

Voigtel schrieb ein "politisches Tagebuch", keine einfache Schilderung persönlicher Erfahrungen. Als scharfer Beobachter der politischen und militärischen Situation und der Moral der deutschen Soldaten ist sich der Autor des drohenden Zusammenbruchs und der deutschen Verantwortung sehr wohl bewusst. In seinen Überlegungen über die Zukunft Deutschlands kommt er zu der Erkenntnis, dass eine moralische und werteorientierte Umerziehung der deutschen Jugend durch die Schule notwendig ist.

Eine der eindringlichsten Passagen des Tagebuchs ist die Beschreibung der Begegnung mit Pierino, einem nicht mehr ganz jungen faschistischen Soldaten. Die beiden treffen aufeinander, als Pierino am Passo Segni, dem Haus, in dem Voigtel wohnt, vorbeikommt. Er ist unterwegs, um seine Familie nach Bologna in Sicherheit zu bringen.

Auf Grundlage der Übersetzungen von Carlo Gentile hat das Theaterkollektiv ArchivioZeta Podcasts zu einigen Ego-Dokumenten in italienischer Sprache produziert. Sie finden sie jeweils auf den italienischen Seiten zu den einzelnen Dokumenten. 

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