San Polo
14 Juli 1944 , San Polo, Ortsteil der Gemeinde Arezzo (Toskana)
Beim Verhör eines gefangengenommenen Deserteurs erfuhren die Offiziere des Grenadier-Regiments 274 von einem Partisanenversteck bei Pietramala, wo weitere deutsche Soldaten und russische Hilfswillige gefangen gehalten wurden. Beim Überfall auf den Unterschlupf und der anschließenden Mitnahme der Partisanen und Zivilpersonen starben 17 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder. 48 Männer wurden anschließend von der Gruppe getrennt und in das Hauptquartier des Regiments in der Villa Mancini gebracht, wo sie gefoltert wurden. Danach wurden die Gefangenen im Garten der Villa Gigliosi erschossen und verscharrt. Das Kommando des Regiments verließ noch am Abend die Villa. Am nächsten Tag zogen alle deutschen Truppen aus San Polo ab.
Die ersten britischen Truppen trafen am Abend des 16. Juli 1944 ein und begannen sofort mit der Exhumierung der verscharrten Leichen.
- Verantwortliche Einheit
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Grenadier-Regiment 274
- Kommando
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305. Infanterie Division
- Täter
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Regimentskommandeur Oberstleutnant Wolf Ewert, Ordonnanzoffizier Klaus Konrad und weitere deutsche Soldaten
- Opfer
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65
- Untersuchungen und Prozesse
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September 1944: Untersuchung durch den Special Investigation Branch (SIB) 78
1967-1972: Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Gießen gegen Wolf Ewert, Klaus Konrad und andere Regimentsangehörige.
2003-2007: Verfahren gegen Klaus Konrad und Herbert Hantschk durch die Staatsanwaltschaft und das Militärgericht La Spezia. Klaus Konrad starb vor dem Urteil 2006; Herbert Hantschk wurde 2007 freigesprochen, weil er die Tat nicht begangen hatte.
- Streitkräfte
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Wehrmacht
Das Massaker
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Der deutsche Deserteur und die Partisanen
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Das Partisanenversteck in Molino dei Falchi
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Verhöre und Folter in der Villa Mancini
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Erschießungen bei Villa Gigliosi
Der Special Investigation Branch 78 führte gründliche Untersuchungen durch und sammelte Beweise und Zeugenaussagen über den Vorfall. Am 12. September 1944 besuchte Sergeant Harper die Villa Mancini, wo er in den Kellern die Gummischläuche fand, mit denen die Gefangenen während der Verhöre massiv geschlagen worden waren.
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Die ersten britischen Untersuchungen
Ermittlungen und Prozesse
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Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Gießen 1967
Ewert übernahm die Verantwortung für eine Hinrichtung, die von den deutschen Ermittlern unter Berufung auf das Kriegsrecht und die nationalsozialistischen Rechtsvorschriften ohne Zögern als "legal" eingestuft wurde. Er lehnte jedoch die Verantwortung für die "Gewaltexzesse" ab, die angeblich ohne sein Wissen stattgefunden haben sollen.
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Staatsanwaltschaft Gießen sprach alle Angeklagten frei
Klaus Konrad, ein bekannter schleswig-holsteinischer SPD-Politiker, gab im Interview zu, Zeuge der Folterungen gewesen zu sein und niemals Reue für diese Ereignisse empfunden zu haben, bis er erfuhr, dass die italienische Justiz ein Verfahren gegen ihn eröffnet hatte.
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Der Prozess von La Spezia in den 2000er Jahren
Erinnerung
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Zwischen Gedenken und offizieller Anerkennung
Quellen
Zum Massaker von San Polo gibt es eine Vielzahl von Dokumenten mit unterschiedlichen Entstehungsdaten und Autoren. Die deutsche Dokumentation ist am spärlichsten. Am Tag des Massakers meldete der Oberbefehlshaber Südwest, dass "in der Gegend nordwestlich [sic] von Arezzo 47 Banditen erschossen und 12 deutsche Soldaten freigelassen [wurden]" (BArch, RH 2/665). Auch im Bericht der IC/AO-Abteilung der 10. Deutschen Armee für den Monat Juli 1944 wird ausführlicher über die vom Regiment durchgeführte Aktion berichtet (BArch, RH 20-10/195). Unter den von deutschen Militärbehörden erstellten Dokumenten ist auch die Akte des Militärgerichts, das die Desertion von Heinrich Krüger untersuchte, von Interesse (BArch, Pers 15/141309). Diese ermöglichen es, das Massaker von San Polo aus einer bisher unbekannten Perspektive zu beleuchten, da es direkte Zeugenaussagen von Krüger selbst und einigen der deutschen Soldaten gibt, die von den Partisanen gefangen gehalten und während der Operation in Molino dei Falchi befreit wurden.
Das Material aus den britischen Archiven ist umfangreicher und präziser. Die Akten der ersten Untersuchung werden in den National Archives in Kew bei London aufbewahrt (War Office (WO) WO 310/109, San Polo, Italien: Tötung von Zivilisten durch deutsche Truppen, WO 310/123, Akte deutscher Generäle: Sammlung von Informationen über Hauptkriegsverbrecher, siehe auch WO 204/11482, WO 311/349, WO 170/515).
Die Mitte der 1960er Jahre im Rahmen der Ermittlungen zur Klärung der Verantwortung für das Massaker durchgeführten Untersuchungen sowie das Urteil der Staatsanwaltschaft Gießen werden im Staatsarchiv in Darmstadt aufbewahrt (HStAD H 13 Gießen Nr. 4884/1-17).
Die Akten der jüngsten Untersuchungen des Militärgerichts von La Spezia werden schließlich in Rom im Archiv der Militärischen Generalstaatsanwaltschaft aufbewahrt.
Werke zur Dokumentation der Massaker in der Toskana: Roger Absalom, Paola Carucci, Arianna Franceschini, Jan Lambertz, Franco Nudi, Simone Slaviero (Hrsg.), Le stragi nazifasciste in Toscana 1943-45. 2. Archivführer. Die italienischen und alliierten Archive, Rom, Carocci, 2004, beiliegende CD, Carlo Gentile (Hrsg.), Le stragi nazifasciste in Toscana 1943-45. 4. Archivführer zur Erinnerungskultur. Die deutschen Archive, Vorwort von Enzo Collotti, Rom, Carocci, 2005, S. 99-102, 137-142.
Bildmaterial
Im Imperial War Museum (IWM) in London werden Fotografien aufbewahrt, die von Soldaten der britischen Eighth Army während der Ermittlungs- und Exhumierungsphase der Leichen von San Polo aufgenommen wurden (Eighth Army, German Atrocities in San Polo, Sgt. Best: NA
16991-NA 16992- NA 16994-NA 16995-NA 16996-NA 16997-NA 16998-NA 16999- NA 17000 NA 17001-NA 17001-NA 17002-NA 17003-NA 17004).
Videos
Interview von Udo Gümpel und René Althammer mit Klaus Konrad in seinem Haus in Scharbeutz (Lübeck), Oktober 2004.
Imperial War Museum (IWM), London: A70 514-84
Auswahl der Bibliografie
Gianluca Fulvetti, Uccidere i civili. Le stragi naziste in Toscana (1943-1945), Rom, Carocci, 2009, S. 214-218.
Carlo Gentile,
Carlo Gentile (Hrsg.), Le stragi nazifasciste in Toscana 1943-45. 4. Archivführer zur Erinnerungskultur. Die deutschen Archive, Vorwort von Enzo Collotti, Rom, Carocci, 2005, S. 99-102, 137-142.
Ivan Tognarini (Hrsg.), La guerra di liberazione in provincia di Arezzo, 1943/1944. Immagini e documenti, Arezzo, Amministrazione provinciale, 1988.
Ivan Tognarini (Hrsg.), Guerra di sterminio e Resistenza. La provincia di Arezzo 1943-1944, Neapel, Edizioni scientifiche italiane, 1990.
Autor*innenschaft und Übersetzung
Autor: Carlo Gentile
Übersetzt aus dem Italienischen durch: Antonia Frinken
© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“
2023