Vinca

Die Luftaufnahme zeigt Vinca heute: Es ist ein kleiner, an einem steilen Berghang gelegener Ort. Links des Ortes ist der Hang terrassiert. Seine Spitze oberhalb des Dorfes ist schroff und felsig.
© Udo Gümpel

24 August 1944 – 26 August 1944 , Vinca, Ortsteil der Gemeinde Fivizzano, und andere Orte in den Apuanischen Alpen, Monte Sagro (Massa-Carrara, Toskana)

Zwischen dem 24. und 27. August führte die Aufklärungs-Abteilung der 16. SS-Panzer-Grenadier-Division "Reichsführer-SS" eine "Säuberungsaktion" in den apuanischen Alpen durch. In den Wochen zuvor hatten die Partisanen in diesem Gebiet zahlreiche Aktionen gegen den Aufbau der Befestigungsanlagen unternommen. Einem Angriff Mitte August war ein deutscher Stabszahlmeister zum Opfer gefallen. An der darauf folgenden Vergeltungsmaßnahme waren fast alle Einheiten der "Reichsführer-SS" im rückwärtigen Bereich beteiligt. SS-Sturmbannführer Helmut Looß war für die Planung und Leitung der gesamten Aktion verantwortlich, während die Kommandeure der einzelnen beteiligten Einheiten die Truppen im Feld führten. Auch die Schwarze Brigade (Brigate Nere) von Carrara unter dem Kommando von Milizoberst Giulio Ludovici wurde einbezogen. Insgesamt wurden 162 Zivilpersonen, vor allem Frauen, getötet.

Verantwortliche Einheit

Ic-Abteilung des Divisionsstabs; die gesamte SS-Aufklärungs-Abteilung 16 "Reichsführer-SS"; Division-Begleit-Kompanie SS; SS-Panzer-Abteilung 16; 3. und 4. SS-Flak-Abteilung 16; Teile des SS-Feld-Ersatz-Bataillons 16; Teile des Hochgebirgsjäger-Bataillons 3 des Heers; ein Bataillon des Jäger-Regiments 40 der Luftwaffen und italienische Faschisten der örtlichen apuanischen Brigata Nera.

Kommando

Generalkommando XIV. Panzerkorps, 16. SS-Panzer-Grenadier-Division „Reichsführer-SS“, Sicherungskommandant

Täter

Max Simon, Helmut Looß, Walter Reder und ihre Männer, darunter die Angeklagten im Prozess von La Spezia; die Männer der Schwarzen Brigaden (Brigate Nere)

Opfer

162 (Atlante delle Stragi Naziste e Fasciste in Italia)

Untersuchungen und Prozesse

1947: Verfahren des britischen Militärgerichts in Padua gegen Max Simon wegen der Massaker seiner Division in der Emilia und der Toskana. Das Todesurteil wurde in lebenslange Haft umgewandelt und 1948 auf 21 Jahre herabgesetzt. 1954 wurde er schließlich wieder freigelassen.

1950: 64 Mitglieder der Schwarzen Brigade werden vor dem Schwurgericht in Perugia angeklagt, elf Verurteilungen zu lebenslanger Haft werden später reduziert. Der Kommandeur Oberst Ludovici wurde 1948 aus Mangel an Beweisen freigesprochen. 

1951: Verfahren des Militärgerichts Bologna gegen Walter Reder, 1954 in Berufung bestätigt. 1980 bewilligte das Militärgericht in Bari die Freilassung auf Bewährung; 1985 wurde Reder entlassen und durfte nach Österreich zurückkehren.

2003-2008: Ermittlungen der Militärstaatsanwaltschaft von La Spezia

2008-2009: Prozess in La Spezia gegen Paul Albers, Josef Baumann, Hubert Bichler, Wilhelm Kusterer, Max Roithmeier, Arnold Rosler, Adolf Schneider, Max Schneider, Heinz Fritz Träger, Walter Waage und Helmut Wulf. Nach dem Urteil des Militärgerichts Rom werden neun der Angeklagten zu lebenslanger Haft verurteilt.

Streitkräfte
Waffen-SS
Das Gebirge um Vinca: Steile, spärlich bewaldete Hänge gehen in schroffe Berggipfel über.
© Udo Gümpel

Das Massaker

Die deutschen Soldaten und die italienischen Faschisten wurden am 24. August bei Monzone und Vinca eingesetzt, direkt an der Stelle des Überfalls, bei dem der Stabszahlmeister getötet worden war. Gegen 9 Uhr griff die 1. Kompanie Vinca an und verübte die ersten Morde auf den Straßen und in den Häusern.
Einer der grausamsten Momente der Aktion fand am 25. August in den Berghöhlen statt, in denen viele Einwohner des Dorfes Zuflucht gesucht hatten.
  • In Vinca am 24. August 1944. Während Häuser brennen und Rauch aufsteigt, hat die Kompanie im ersten Gebäude ihren Gefechtsstand und einen Verbandsplatz eingerichtet. Vor dem Haus hält ein VW-Schwimmwagen. © Privatarchiv Nils Olger, Wien
  • Über den Beiwagen eines Motorrads gebeugt, betrachten zwei SS-Führer eine Karte und geben den Kradmeldern Anweisungen. © Privatarchiv Nils Olger, Wien
  • Am Morgen nach der Aktion beladen SS-Männer Maultiere mit Gepäck und verlassen Vinca. © Privatarchiv Nils Olger, Wien
  • Ein Trupp SS-Soldaten verlässt Vinca. Der erste Soldat führt ein Tier an der Leine, vielleicht ein kleines Schwein. Der letzte SS-Mann, mit geschultertem MG-42, dreht sich zum Fotografen und grinst in die Kamera. © Privatarchiv Nils Olger, Wien

Ermittlungen und Prozesse

Erinnerung

Quellen

Die wichtigste deutsche Quelle zur Rekonstruktion des Geschehens sind die Tagesmeldungen der Abteilungen Ia und Ic der 16. SS-Panzer-Grenadier-Division "Reichsführer-SS" in den Unterlagen des XIV. Panzerkorps, die in Moskau im Kriegstrophäenbestand des ehemaligen Zentralarchivs des Verteidigungsministeriums der Sowjetunion aufbewahrt werden und online verfügbar sind: (Bestand 500, Findbuch 12475, Akten 30-31 https://wwii.germandocsinrussia.org/de/nodes/9329-findbuch-12475-panzerkorps). Diese Dokumente ermöglichen eine grobe Rekonstruktion der Aktion. 

Unter den in Freiburg aufbewahrten Dokumenten befindet sich eine bemerkenswerte Militärkarte des Frontabschnitts der 14. Armee, die genaue Angaben zu den Truppen enthält, die bei der Durchkämmungsaktion eingesetzt wurden (BArch 20-14/47K = Kart 907-4). In den National Archives in Kew (London) befinden sich die Akten der alliierten Ermittlungen (WO 204/11494 und WO 310/121) und die Akten, die während des Prozesses gegen SS-Gruppenführer Max Simon in Padua 1947 (WO 235/584-588) erstellt wurden.

Eine große Menge an Material wurde während der Ermittlungen für den Prozess gegen Walter Reder in Bologna von September bis Oktober 1951 gesammelt und wird heute im Archiv des Militärgerichts in Rom aufbewahrt.

Auswahl der Bibliografie

Carlo Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943-1945, Paderborn, 2012, Ferdinand Schöningh, S. 229-261, 293-301, 389, 407. 

Paolo Pezzino, Crimini di guerra nel settore occidentale della Linea Gotica, in Gianluca Fulvetti, Francesca Pelini (Hrsg.), La politica del massacro. Per un atlante delle stragi naziste in Toscana, Neapel, l’ancora del Mediterraneo, 2006, S. 89-135.

Autor*innenschaft und Übersetzung

Autor: Carlo Gentile

Übersetzt aus dem Italienischen durch: Giulia Gostoli

© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“

2023

Text: CC BY NC SA 4.0

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