Massaker in den Ardeatinischen Höhlen

In einem Hypogäum unter einer Betonplatte stehen in langen Reihen nebeneinander unzählige graue Steinsärge.
Die Grabsteine der Opfer © Elena Pirazzoli

24 März 1944 , Fosse Ardeatine, Höhlen an der Via Ardeatina (Roma, Lazio)

Am 24. März 1944 wurden in den Höhlen an der Via Ardeatina bei Rom 335 Menschen erschossen. Die Aktion erfolgte als Vergeltung für den Angriff der Partisanenbrigade GAP in der Via Rasella, bei dem 34 Soldaten des III. Bataillons des SS-Polizei-Regiments Bozen getötet worden waren. Der Oberbefehlshaber der deutschen Streitkräfte in Italien, Albert Kesselring, oder möglicherweise Hitler selbst, befahl daraufhin die Tötung von zehn Italienern für jedes deutsche Opfer. Die Sicherheitspolizisten des Außenkommandos Rom unter der Leitung Herbert Kapplers führten die Auswahl der Opfer im Gefängnis Regina Coeli sowie die Hinrichtungen selbst durch.

Verantwortliche Einheit

Stab der 14. Armee; Außenkommando der Sicherheitspolizei und des SD Rom

Täter

SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler, SS-Hauptsturmführer Erich Priebke und Andere

Opfer

335 Opfer, alle männlich, einige noch immer nicht mit Sicherheit identifiziert.

Untersuchungen und Prozesse

1944: Der Polizeipräsident von Rom, Pietro Caruso, und sein Mitarbeiter, Roberto Occhetto, werden vor Gericht gestellt. Caruso wird zum Tode verurteilt, Occhetto zu 30 Jahren Gefängnis.

1946: Prozess gegen Kurt Mälzer, Militärkommandant von Rom, und Eberhard von Mackensen, Oberbefehlshaber der 14. Armee. Beide zum Tode verurteilt, später Umwandlung in lebenslange Haftstrafen.

1947: Das alliierte Militärgericht in Venedig verurteilt Albert Kesselring zu lebenslanger Haft, weil er als Oberbefehlshaber der deutschen Streitkräfte in Italien für die von der deutschen Armee in Italien verübten Massaker verantwortlich ist, unter anderem für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen.

1948-1953: Prozess gegen Herbert Kappler, Leiter des Außenkommandos in Rom: Verurteilung zu lebenslanger Haft.

1995-1998: Erich Priebke wird in Argentinien ausfindig gemacht und an Italien ausgeliefert. Er wird vor Gericht gestellt und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Streitkräfte
SD
Sicherheitspolizei
Die helle Felswand wird unten von einer Mauer abgestützt. In der Wand befindet sich der Eingang zur Gedenkstätte für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen. An der Mauer sind mehrere Gedenktafeln für die Opfer angebracht.
Der Eingang zu den Tuffstein-Höhlen mit Gedenktafeln. © Elena Pirazzoli

Das Massaker

Die Verlagerung der deutschen Truppen nach Anzio infolge der Landung der Alliierten schmälerte die militärische Präsenz in Rom. Die deutschen Behörden behielten jedoch die Kontrolle über die Hauptstadt und begannen, die Angriffe der Partisanenbrigade GAP härter zu bestrafen.

Die Fotografien

Via Rasella: PK-Kriegsberichterstatter Lutz Koch geht hinunter zur Via del Boccaccio, wo kurz zuvor die Bombe explodiert war. In der Strasse richten die Männer des Polizei-Bataillons Bozen ihre Gewehre auf die oberen Stockwerke der Häuser, weil sie immer noch befürchten, dass sich dort GAP-Angehörige verstecken könnten. Auf der Straße stehen Polizisten und Soldaten mit Waffen in der Hand; neben ihnen die Leiche eines Mannes, möglicherweise eines Opfers der Explosion, bedeckt mit einem weißen Tuch. Der Fotograf hielt auch die hektischen Szenen bei der Verhaftung von Passanten und Bewohnern der Häuser rund um den Anschlagsort fest.

Die folgenden Inhalte zeigen Szenen massiver psychischer und physischer Gewaltanwendung. Bitte bedenken Sie dies, bevor Sie das Bild- / Videomaterial betrachten.
  • In einer Straße steht ein Soldat im Schutt vor einem großen Gebäude mit vergitterten Fenstern. Er trägt eine Uniform und einen Helm. Sein Gewehr hat er auf das Dach des gegenüberliegenden Gebäudes gerichtet.
    Neben dem Explosionskrater in der Via Rasella behält ein Angehöriger des Polizei-Bataillons Bozen die oberen Stockwerke des gegenüberliegenden Wohnblocks im Auge. © BArch Bild_101I-312-0983-15 / Lutz Koch
  • Eine lange Straße, gesäumt von Häusern. Personen in Zivilkleidung und Polizisten laufen vom Fotografen weg, hin zu einer Kreuzung. Auf der Straße liegt Schutt von der vorherigen Explosion.
    Via Rasella, Polizisten eilen zur Kreuzung Via Rasella/Via del Boccaccio, wo einige Zivilisten festgenommen wurden. © BArch Bild_101I-312-0983-18 / Lutz Koch
  • Eine lange, von Häusern gesäumte Straße: Im Hintergrund stehen Personen in Zivilkleidung. Im Vordergrund stehen in der Mitte des Bildes drei Soldaten in Helmen und Uniformen. Rechts im Bild liegt auf dem Boden ein mit einem weißen Tuch abgedeckter Leichnam. Daneben steht vor einer Hauswand ein weiterer Soldat mit einem Gewehr in der Hand.
    © BArch Bild_101I-312-0983-10 / Lutz Koch
  • Auf der mit Schutt bedeckten Straße laufen am rechten Bildrand mehrere Personen mit dem Rücken zur Kamera. Vor einer Hauswand in der linken Bildecke tritt ein Soldat mit Gewehr aus dem Hauseingang.
    © BArch Bild_101I-312-0983-12 / Lutz Koch
  • Im rechten Bildrand der SS-Hauptscharführer mit den Bombenfragmenten in der Hand. Links stehen Soldaten mit Gewehren vor der Hauswand. Schutt liegt auf der Straße.
    In der Via Rasella hebt ein SS-Hauptscharführer der Gestapo in Rom Bombenreste auf und inspiziert sie. © BArch Bild_101I-312-0983-14 / Lutz Koch
  • Eine Gruppe von Polizisten steht mit dem Rücken zum Fotografen in der Via Rasella und versucht, dort ein Gebäude zu betreten.
    Vor dem Eingang der Via del Boccaccio Nr. 3, eine Gruppe von Polizisten versucht, das Gebäude zu betreten. © BArch Bild_101I-312-0983-20 / Lutz Koch
  • An einer Kreuzung stehen mehrere Soldaten links im Bild vor einer Hauswand und zielen mit ihren Gewehren auf die oberen Stockwerke des gegenüberliegenden Hauses.
    © BArch Bild_101I-312-0983-21 / Lutz Koch
  • An der Kreuzung zur Via del Boccaccio stehen mehrere Soldaten mit dem Rücken zur Kamera zwischen den Häusern und beobachten die Umgebung.
    © BArch Bild_101I-312-0983-24 / Lutz Koch
  • Mehrere Soldaten stehen vor einer Hauswand und zielen mit ihren Gewehren auf die oberen Stockwerke der gegenüberliegenden Häuser.
    © BArch Bild_101I-312-0983-25 / Lutz Koch
  • Vor einer Hauswand bedrängen Polizisten mit Mützen Männer in Zivilkleidung.
    Deutsche und italienische Polizisten mit Pistolen in den Händen halten einige Bewohner der umliegenden Häuser vor einer Weinhandlung in der Via Rasella 142 an. Heute befindet sich dort ein Hotel. © BArch Bild_101I-312-0983-28 / Lutz Koch
  • Im Hintergrund des Bildes stehen die von den Polizisten festgehaltenen Zivilisten. Die wenigen weiteren Passanten beobachten die Szene.
    © BArch Bild_101I-312-0983-29 / Lutz Koch
  • Zwei gepanzerte Fahrzeuge mit bewaffneten Soldaten fahren auf einer Kreuzung am Fotografen vorbei.
    Geländewagen der PAI (Polizia dell’Africa Italiana, Kolonialpolizei) fahren mit hoher Geschwindigkeit die Via del Traforo hinunter. © BArch Bild_101I-312-0983-32 / Lutz Koch
Kesselring hatte die Erschießung von zehn Italienern für jeden getöteten deutschen Soldaten innerhalb von 24 Stunden angeordnet. Kappler setzte sich mit dem Stab von Generalfeldmarschall Kesselring in Verbindung, der ihm mitteilte, dass diese Entscheidung von höherer Stelle kam.

Via delle Quattro Fontane, vor den Toren des Palazzo Barberini, unmittelbar nach dem Angriff. Männer des III. Bataillons des SS-Polizei-Regiments Bozen und des Bataillons Barbarigo der faschistischen 10. MAS-Flottille bewachen die Zivilisten, die aus den Gebäuden der Via Rasella geholt wurden.

  • Im rechten Bildrand stehen vor einer Hauswand zahlreiche Zivilisten mit den Händen hinter den Köpfen in einer Reihe. Vor ihnen stehen Soldaten mit Bajonetten, die sie festhalten.
    © BArch Bild_101I-312-0983-03 / Lutz Koch
  • Im Hintergrund stehen vor einer Mauer mit Eisenzaun Zivilisten in einer Reihe und halten ihre Hände hinter den Köpfen. Vor ihnen stehen Soldaten mit Bajonetten im Anschlag. Einer von ihnen hat sich der Kamera vollständig zugewandt und schaut den Fotografen direkt an.
    © BArch Bild_101I-312-0983-02 / Lutz Koch
  • Dieselbe Szene, fotografiert von der linken Seite. Die Zivilisten scheinen vor der Mauer einer Kirche zu stehen. Im Vordergrund stehen die Soldaten, die sie bewachen. Im Hintergrund sind Polizisten und ein Fahrzeug zu erkennen.
    © BArch Bild_101I-312-0983-05 / Lutz Koch
  • Ein weiteres Foto derselben Szene. Inzwischen haben sich einige der Polizisten zu den Soldaten gestellt.
    © BArch Bild_101I-312-0983-06 / Lutz Koch

Ermittlungen und Prozesse

Über einen Zeitraum von etwa 50 Jahren wurden mehrere Prozesse gegen die Verantwortlichen für die Morde in den Ardeatinischen Höhlen geführt.

Erinnerung

  • Eine Kieselfläche, die im Hintergrund in eine Rasenfläche übergeht. Rechts die Mauer mit den Gedenktafeln und dem Eingang in die Höhlen, links ein Mahnmal: Drei Männer in Zivilkleidung auf einem Sockel.
    Das Mausoleum in den Ardeatinischen Höhlen. © Elena Pirazzoli
  • In einer Kluft, die von Mauern gestützt wird, ist im Bildhintergrund der hohe rechteckige Eingang zu den Höhlen erkennbar.
    Durch die Explosion von Minen, die von deutschen Pionieren zur Sprengung der Steinbrüche gelegt wurden, entstand eine Kluft. © Elena Pirazzoli
  • Eine graue Steintafel mit italienischer Beschriftung an einer gemauerten Säule aus hellbraunem Stein.
    Tafeln erläutern, wie die Zerklüftungen zustande gekommen sind. © Elena Pirazzoli
  • Im Inneren der Höhlen ist am Ort der Hinrichtung an einer steinernen Wand eine Inschrift in italienischer und hebräischer Sprache angebracht. Links daneben ein stark verziertes Eisentor.
    Der Ort der Hinrichtung im hinteren Teil der Ardeatinischen Höhlen. © Elena Pirazzoli
  • Der Ort der Hinrichtungen, verborgen durch das Tor des Bildhauers Mirko Basaldella. © Elena Pirazzoli
  • Das Hypogäum in der Gedenkstätte der Ardeatinischen Höhlen ist ein großer, rechteckiger Raum. Auf zahlreichen Pfeilern ruht eine enorme Betonplatte, die als Dach dient. Darunter stehen in langen Reihen die Särge aller dort getöteten Opfer.
    Die Grabmäler der Opfer. © Elena Pirazzoli

Quellen

In Ermangelung zeitgenössischer deutscher Dokumente sind die wichtigsten Quellen für die Rekonstruktion des Sachverhalts hauptsächlich juristischen Ursprungs. Die Dokumente werden in den Archiven des Militärgerichts in Rom aufbewahrt. Das Staatsarchiv in Rieti enthält wiederum die privaten Unterlagen von Euclide Fantoni, dem Vorsitzenden des Militärgerichts, das 1948 Kappler verurteilte.

Die Akten der 1946 und 1947 vom britischen Gericht gegen Mälzer, von Mackensen und Kesselring geführten Prozesse werden in den National Archives in London (Kew) aufbewahrt (WO 235/438, Prozess gegen Mälzer und von Mackensen, WO 236/366-376, Prozesse gegen Kesselring). Hier befinden sich auch die alliierten Untersuchungen des Massakers: (WO 204/11469, Ardeatine Caves case, WO 204/12798, SS Obersturmbannführer Herbert Kappler; WO 309/2197, Massacre of Italian partisans, Ardeatine Caves, Italy; WO 310/126; Trials of German General Staff officers; WO 311/356, Ardeatine Caves, Rome, Italy: killing of Italian civilians).

Auswahl der Bibliografie 

Felix Bohr, Die Kriegsverbrecher Lobby. Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter, Berlin, Suhrkamp, 2018.

Lutz Klinkhammer, Stragi naziste in Italia. La guerra contro i civili (1943-1944), Roma, Donzelli, 1997, pp. 3-15.

Alessandro Portelli, L'ordine è già stato eseguito, Roma, Donzelli, 1999.

Steffen Prauser, Mord in Rom? Der Anschlag in der Via Rasella und die deutsche Vergeltung in den Fosse Ardeatine im März 1944, in «Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte», Jahrgang 50 (2002), Heft 2, De Gruyter Oldenbourg, Berlin, pp. 269-301

Daniele Scopigno, Il processo Kappler nelle carte dell'archivio di Stato di Rieti, Foligno, Il Formichiere, 2020.

Joachim Staron, Fosse Ardeatine und Marzabotto. Deutsche Kriegsverbrechen und Resistenza. Geschichte und nationale Mythenbildung in Deutschland und Italien (1944-1999), Paderborn u.a., Schöningh, 2002, S. 32-74, S. 103 ff., S. 111-115, S. 132-184, S. 285-308.

Autorenschaft und Übersetzung

Name: Carlo Gentile

Übersetzt aus dem italienischen durch: Antonia Frinken

© Projekt "Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“

2023

Text: CC BY NC SA 4.0

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