Militärdokumente

Die deutschen Militär- sowie SS- und Polizeidienststellen in Italien hielten die Aktivitäten der jeweiligen Truppen in militärischen Dokumenten fest. Diese entstanden in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Geschehnissen selbst und sind daher für die Rekonstruktion des militärischen Kontextes von entscheidender Bedeutung. Gleichzeitig bergen sie eine Reihe von methodischen Problemstellungen. So sind sie nur scheinbar nüchtern und objektiv und spiegeln tatsächlich ausschließlich die Wahrnehmungen der Besatzer und deren Version der Ereignisse wider. So werden Massaker an der Zivilbevölkerung wie in Monte Sole als reguläre Ereignisse des Kriegsalltags dargestellt. Nur durch den Abgleich mit anderen Dokumenten und Zeugenaussagen lässt sich feststellen, was wirklich geschehen ist.

Deutsche Dienststelle (WASt), Berlin 2013: Verlustmeldungen der Waffen-SS © Carlo Gentile

Personenbezogene Unterlagen

Zur Rekonstruktion von Täterbiografien und ihrer Kontexte werden unter anderem deren militärische Personalunterlagen benötigt. Akten von SS-Angehörigen sind im Original im Bundesarchiv und als Mikrofilme in den amerikanischen National Archives in Washington, D.C., erhalten. 

Dabei hinterlässt ein hochrangiger Offizier, dessen Karriere vor dem Ersten Weltkrieg begann, in den meisten Fällen mehr dokumentarische Spuren als ein junger Rekrut, der in der Endphase des Zweiten Weltkriegs eingezogen wurde. 

Viel schwieriger ist es, das Privatleben der Militärangehörigen zu rekonstruieren. Informationen über die sozialen Verhältnisse der Herkunftsfamilie oder des Ehepartners finden sich in den Personalakten. Weitere Informationen müssen in den Archiven oder Zeitungen der Orte, an denen sie nach dem Krieg lebten, gesucht werden, ein oft langwieriges und schwieriges Unterfangen.

Bundesarchiv-Militärarchiv

Das Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg verwahrt die Unterlagen der deutschen Streitkräfte von 1870 bis in die 1990er Jahre. Es handelt sich um eine Dokumentation von außerordentlichem historischem Wert, die durch ihren Umfang und ihre Fülle an Daten beeindruckt, in der aber leider durch Kriegseinwirkung unüberbrückbare Lücken entstanden sind. Die Zerstörung ist zum Teil auf die Auswirkungen eines Bombenangriffs auf Potsdam zurückzuführen, der 1945 die dortigen Heeresarchive traf. In vielen Fällen waren es die Einheiten und Kommandobehörden selbst, die beim Zusammenbruch 1945 ihre geheimen Unterlagen vernichteten. Das übrig gebliebene Material wurde von den Alliierten beschlagnahmt und in die Vereinigten Staaten und nach London gebracht. In den 1960er Jahren wurden die Dokumente nach einer Mikroverfilmung zurückgegeben.

Trotz gravierender Lücken ist das deutsche Dokumentationsmaterial sehr umfangreich. In Italien waren zwischen September 1943 und Mai 1945 insgesamt nicht weniger als 30 deutsche Divisionen in elf Armeekorps und drei Armeen zusammengefasst. Etwa eine Million Männer und einige Tausend Frauen waren in unzähligen Einheiten und Kommandodienststelle des Heeres, der Luftwaffe, insbesondere Flak- und Nachrichtentruppen, sowie der Kriegsmarine und der zivilen Schifffahrt, schließlich der verschiedenen Sparten der Polizei und der SS organisiert.

Die Digitalisierung der Bestände ist derzeit im Gange, ein Teil davon ist in der Forschungsdatenbank INVENIO online zugänglich gemacht worden.

Bundesarchiv Lichterfelde 

Im Berliner Stadtteil Lichterfelde befindet sich ein wichtiger Standort des Bundesarchivs. Mit am interessantesten für unser Projekt ist der Bestand R 70 Polizeidienststellen in Italien, kurz R 70 Italien. Er enthält Materialien über die Polizei- und SS-Kommandos, die dort stationiert waren. In Lichterfelde werden außerdem die Personalakten von SS- und Polizeiangehörigen, der öffentlichen Verwaltung und NSDAP-Parteikarteien aufbewahrt. Letztere sind allerdings lückenhaft überliefert.

Bundesarchiv-Abteilung PA

Die Abteilung PA (Personenbezogene Auskünfte zum Ersten und Zweiten Weltkrieg) des Bundesarchivs, bekannt auch unter ihrem früheren Namen Deutsche Dienststelle (WASt). Ihr neuer Standort befindet sich im Berliner Stadtteil Tegel. 

Sie verwahrt die Personalakten von 18 Millionen deutschen Militärangehörigen aller Waffengattungen, die während des Zweiten Weltkriegs gedient haben. Die Zugänglichkeit dieser Bestände für Wissenschaftler ist durch die Vorschriften über den Umgang mit personenbezogenen Daten begrenzt. Das Archiv enthält auch eine umfangreiche Dokumentation über die Verluste der deutschen Streitkräfte während des Konflikts: Hier handelt es sich um Formulare, die die Einheiten im Falle von Verwundung oder Tod eines Soldaten selbst ausfüllten. Sie geben Aufschluss über persönliche Daten, Ort, Datum des Verlustes und dessen Ursache. Diese Materialien sind von großem Nutzen für die Rekonstruktion einzelner Massaker und Episoden des Partisanenkrieges.

Deutsche Akten in Russland

Nach der deutschen Niederlage beschlagnahmte die Rote Armee einen Teil der deutschen Unterlagen und brachte sie nach Russland. Die umfangreichsten Sammlungen dieser so genannten "Kriegsbeute" befinden sich in den verschiedenen Archiven der Russischen Föderation: im Staatsarchiv - GARF, Russisches Staatsarchiv für sozialpolitische Geschichte - RGASPI, Staatliches Militärarchiv der Russischen Föderation - RGVA. Von besonderer Bedeutung für die militärische Dokumentation ist das Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation - CAMO. Seit 2011 läuft ein deutsch-russisches Gemeinschaftsprojekt zur Digitalisierung der in Russland gelagerten deutschen Dokumente. Die rund 28.000 im CAMO gelagerten "Trophäen" werden aktuell vollständig digitalisiert und sind bereits zu einem großen Teil auf der Website German Docs in Russia online zugänglich. 

Diese Materialien wurden im Rahmen unseres Projekts systematisch untersucht. Einige der Bestände waren dabei von besonderem Interesse: Die Akten des Generalkommandos des XIV. Panzerkorps mit zahlreichen bis dahin unveröffentlichten Informationen geben Aufschluss zu Massakern und Partisanenbekämpfung im Apennin im August und September 1944. In den Unterlagen der 44. Reichsgrenadier-Division "Hoch- und Deutschmeister" finden sich Hinweise zu den Massakern in Capistrello bei Aquila und Sassoleone bei Bologna. Material zu Einsätzen im Oltrepò Pavese im Winter 1944/45 ist in den Aufzeichnungen der 162. (Turk.) Infanterie-Division enthalten. Die Kriegstagebücher der 65. Infanterie-Division geben Einblicke in die Durchkämmung des Gebiets am Monte Pisano, die der Panzer-Jäger-Abteilung 19 auf Partisanenbekämpfungsaktionen in der Gegend von Sant'Anna di Stazzema Anfang August 1944. Die anderen im Archiv vertretenen  Verbände sind die 15. Panzer-Grenadier-Division, die 278. Infanterie-Division, die 356. Infanterie-Division, das Sturm-Bataillon "OB Südwest", Nachschubunterlagen der 10. und 14. Armee, Einheiten des Bau-, Übertragungs- und Gesundheitskorps sowie Pionier-, Nachrichten- und Sanitätseinheiten, insgesamt etwa 250 Dokumentationseinheiten und mehrere tausend Seiten. Die behandelten Gebiete sind die Toskana im Sommer 1944, die Emilia-Romagna im Herbst und Winter 1944/45, der Rückzug durch die Marken im Sommer 1944, die Front von Cassino im April 1944, der Oltrepò Pavese und das Gebiet der Venetischen Voralpen.

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