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Die Massaker im besetzten Italien in der Erinnerung der Täter

Übersichtskarte Projekt

Die deutsche Besatzung Italiens kostete bis zu 70.000 Italiener*innen das Leben. Mehr als 10.000 von ihnen wurden bei Massakern und Massenhinrichtungen durch deutsche Truppen ermordet. Deutschland trägt für diese Opfer Erinnerungsverantwortung gegenüber den betroffenen Gemeinden und Familien.

Nach dem Krieg war es für die Betroffenen in Italien jahrzehntelang nahezu unmöglich, aus Deutschland gesicherte Informationen über die Verantwortlichen zu erhalten. Das Unwissen um die Täter führte zu Fehlinterpretationen und Verzerrungen, während in Deutschland die Generation der Kriegsteilnehmer*innen den Mythos des “sauberen” Kriegs der Wehrmacht in Italien pflegte. Auch die im Zusammenhang mit der Erforschung der Massaker in Italien vielfach konstatierte “memoria divisa” (“getrennte, kontrastierende Erinnerung”) ergibt sich aus der Abwesenheit der deutschen Täter innerhalb des öffentlichen Diskurses. Die Betroffenen verfügten über keinerlei konkrete Informationen zu ihnen, weder Namen noch Einheitsbezeichnungen waren ihnen bekannt. Daher entlud sich ihr Schmerz im Groll gegen andere Italiener, denen Verantwortung und Schuld für die Massaker zugeschrieben wurden.

Das Projekt “Die Massaker im besetzten Italien (1943-1945) in der Erinnerung der Täter” wird vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des deutsch-italienischen Zukunftsfonds gefördert.

Wer sind die Verantwortlichen?

Die Biografien der Täter auf dieser Website sollen die Möglichkeit zur individuellen Auseinandersetzung geben. Dazu möchten wir ein realitätsnahes Bild von Kontexten, Situationen und Erfahrungen sowie von Mentalitäten und psychologischen Dispositionen, biografischen und sozialen Hintergründen, Entscheidungs- und Handlungsräumen sowie Legitimationsmustern der Täter vermitteln. Mit diesen komplexen Dynamiken beschäftigt sich die Täterforschung seit einigen Jahren.

Das Farbfoto wurde in den 1970er Jahren in Bad Hersfeld aufgenommen. Es zeigt ein eckiges Gebäude hinter einigen Bäumen. Davor haben sich anlässlich eines Treffens der HIAG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS) zahlreiche Menschen versammelt. Vor der Menge sind vier zeitgenössische Autos geparkt.
Treffen der HIAG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS) Anfang der 1970er Jahre in Bad Hersfeld. © Privatarchiv Carlo Gentile

Krieg gegen die Zivilbevölkerung

Um die systematischen Verbrechen der deutschen Truppen zu beschreiben, spricht man in Italien von guerra ai civili. Deutsche Truppen ermordeten vielerorts auf brutale Art und Weise Frauen, Kinder und ältere Menschen, aber auch die wenigen in den Ortschaften verbliebenen Männer, darunter viele Geistliche. 

Die Massaker ereigneten sich sowohl im Süden wie im Norden. Zahlreiche kleine Ortschaften in den gebirgigen Landschaften des Apennins waren besonders betroffen. Aufgrund ihrer Abgeschiedenheit schienen sie vom Kriegsgeschehen weit entfernt zu sein, wurden nach dem Waffenstillstand vom 8. September 1943 jedoch zunehmend zu Kriegsschauplätzen. Die aus dem Süden vorrückenden Alliierten trafen hier auf hartnäckigen Widerstand der deutschen Truppen. Im Hinterland der Front waren Partisanenformationen verschiedener politischer Ausrichtungen aktiv. Auf ihre Sabotageunternehmen und Angriffe reagierten die Deutschen mit schweren Vergeltungsaktionen, die sich oft gegen die Zivilbevölkerung richteten. 

In unseren Fallstudien rekonstruieren wir eine Auswahl bedeutender Massaker, ihren Verlauf und ihre Kontexte. Besonders im Fokus steht dabei die Verantwortlichkeit der beteiligten Verbände - der SS, der Wehrmacht sowie des SD.

Alter Brunnen in der Mitte des Dorfes Vinca, gegenüber der Kirche. Zwischen dem 24. und 26. August 1944 töteten Soldaten der Waffen-SS hier 162 Menschen © Udo Gümpel

Themen

Diese Beiträge geben Einblicke in den geschichtlichen Kontext und die Folgen der deutschen Besatzung Italiens in der Kriegs- und Nachkriegszeit.

Deutsche Dienststelle (WASt), Berlino 2013: schedari delle unità Waffen-SS. © Carlo Gentile

Quellen

Im Zuge der Projektarbeit wurden Quellen aus über 40 Archiven in Deutschland, Italien, den USA, Großbritannien, Österreich, Frankreich und Russland ausgewertet: Persönliche Schriftstücke der Soldaten, militärische und juristische Sachakten aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, Videoaufnahmen und Fotos. 

Besonders wichtig für das Projekt sind über 200 unveröffentlichte, sogenannte Ego-Dokumente sowie Dutzende von Memoiren ehemaliger Offiziere und Soldaten, die nach dem Krieg veröffentlicht wurden. Es bestand ferner Zugang zu den Unterlagen der italienischen und deutschen Justiz sowie über die Ermittlungen und Prozesse der alliierten Gerichte.

Bildungsangebote

Im Rahmen unseres Projekt kooperieren wir mit verschiedenen Partnerorganisationen in Italien.